0191 - Tschato, der Löwe
vom Kurs abbrachte. Ein warmer, tropischer Regen ging nieder. Innerhalb von Sekunden glänzte der Shift vor Nässe. Der Wald hinter ihnen wurde zu einer braunen Fläche, deren Konturen sich verwischten. Wieder setzte der Antrieb aus. Da der Shift wesentlich langsamer geworden war, sackte er rasch nach unten. Als er fast die Wipfel der höchsten Bäume streifte, gab es ein explosionsartiges Geräusch. Mit einem Ruck nahm der Shift wieder an Schnelligkeit zu. Rhodan atmete auf, obwohl er nicht mehr als eine Gnadenfrist erwartete. Dicht über den Bäumen huschte der Shift dahin. Im Innern blieb es still. Mit verkniffenen Gesichtern beobachteten die Passagiere die Umgebung. Ein Absturz direkt über dem Wald konnte gefährlich werden. Dann jedoch blieben die Bäume hinter ihnen zurück. Sie flogen über der Ebene, die sich bis zum Gebirge ausdehnte. Der Regen kam waagrecht durch die Luft, er plätscherte in dichten Strömen über die Kanzel. „Ich muß notlanden", verkündete Rhodan.
Dröhnend senkte sich der Shift in die Tiefe. Die Welt schien im Regen zu ertrinken. „Festhalten!" rief Rhodan. Wider Erwarten setzte der Shift ruhig auf der Oberfläche auf. Die Berge waren noch drei bis vier Meilen entfernt, „An dieser Stelle ist das Raupenfahrzeug ein deutlicher Hinweis für die Blues", sagte Bully. „Wir müssen unter allen Umständen den Schaden beheben." Rhodan, Bully und Kasom verließen das Fahrzeug. Der warme Regen schlug ihnen in die Gesichter. Die Tropfen prasselten auf die Verkleidungen des Shifts. Sie gingen um den Shift herum.
Bully entdeckte eine eingedruckte Stelle. Hier mußte das Untier aus dem Sumpfmeer mit aller Wucht aufgeprallt sein, Gemeinsam untersuchten sie den Schaden. „Die Energiezufuhr zum Triebwerk ist stellenweise unterbrochen", gab Bully bekannt, nachdem er unter das Fahrzeug gekrochen war. „Ich glaube nicht, daß wir es reparieren können. Wir haben weder Spezialwerkzeuge noch genügend Zeit."
Schlammbedeckt kam er wieder hervor. „Wir müssen versuchen, mit dem Raupenantrieb weiterzukommen", schlug Kasom vor. „Ich glaube nicht, daß auch er beschädigt ist." Sie - kehrten ins Innere zurück. Bully übernahm den Pilotenplatz. Wenige Sekunden später heulte der Motor auf, und der Shift schob sich vorwärts. Auf ebener Erde erreichte er im Höchstfall eine Geschwindigkeit von dreißig Meilen in der Stunde. Rhodan hoffte, daß sie die Berge erreichten, bevor die Blues wieder auftauchten.
Durch den Ausfall des Flugantriebes sanken ihre Chancen auf ein Entkommen. Selbst im Gebirge bestand wenig Aussicht, die Blues auf die Dauer zu überlisten. Atlan sprach zuerst aus, was sie alle dachten: „Es sieht so aus, als sollte unsere Flucht bald am Ende angelangt sein. Sollten die Blues noch einmal erscheinen, sind wir verloren." Schwerfällig rollte der Shift voran. Seine stumpfe Schnauze richtete sich gegen die Berge, während er allmählich die Höchstgeschwindigkeit erreichte. Wie ein graues Schemen glitt er durch den Regen. Inmitten dieses weiten Landes wirkte er klein und verloren.
Tan-Pertrec kämpfte gegen die Panik an, die ihn antrieb, unsinnige Befehle an die Besatzung zu geben. Er mußte sich damit abfinden, daß etwas schiefgegangen war. Die unberechenbaren Terraner bewiesen wieder einmal ihre Gefährlichkeit. Tan-Pertrec vermochte ein Gefühl der Bewunderung für das Manöver des gegnerischen Kommandanten nicht zu unterdrücken, der es gewagt hatte, so dicht im Linearflug an einen Planeten heranzugehen und dann in den Normalraum einzutauchen. Doch dieses Vorgehen bewies gleichzeitig, wie verzweifelt der Feind in diesem Augenblick war.
Als sich der Kommandant der Blues das vor Augen führte, beruhigte er sich schnell. Zweifellos handelte es sich nur um ein einzelnes Schiff der Terraner, dessen Kommandant nun versuchte, die Blues von Roost abzulenken. Tan-Pertrec war bereit, einige Schiffe für die wertvollen Gefangenen zu opfern. Er gab drei Schiffskommandanten den Befehl, sich mit ihren Raumern um den Gegner zu kümmern. Sein eigenes Schiff behielt den seitherigen Kurs bei. Es würde als Verstärkung der Suchschiffe über Roost auftauchen. Als Tan-Pertrecs Schiff in die Atmosphäre des Planeten Roost vorstieß, hatte der Kommandant die alte Besonnenheit zurückgewonnen. Eigentlich hatte sich durch das Auftauchen des feindlichen Schiffes nichts geändert. Tan- Pertrec gratulierte sich zu seiner Klugheit. Seine Vorgesetzten würden für seine Handlung Verständnis aufbringen.
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