0194 - Wenn Hexenhände töten
schoben Ärzte und andere Fachleute dem Wetter in die Schuhe, denn in den letzten Tagen hatte sich ein von Südwesten her kommender Warmluftstrom über die Stadt an der Themse ergossen und ließ in den Mittagsstunden das Thermometer fast bis auf die 20 Grad Marke klettern. Sehr unnatürlich für November.
Der Krankheitspegel stieg rapide, die Menschen litten unter Kopf-und Gliederschmerzen, selbst Suko, der Chinese, fühlte sich nicht wohl.
Seiner Freundin Shao erging es ähnlich. Sie blieb noch im Bett, als Suko sich verabschiedete und zum Dienst fuhr.
Daran mußte sich Shao auch erst gewöhnen. Seit einiger Zeit besaß Suko eine geregelte Arbeitszeit. Er war in die Dienste von Scotland Yard getreten und stand im Range eines Inspektors. Dies hatte er Sir James Powell zu verdanken, dem es nach langem Hin und Her endlich gelungen war, Sukos Wunsch zu erfüllen, so daß der Chinese von den Conollys finanziell unabhängig war.
Normalerweise nahm John Sinclair Suko immer mit. Als der Chinese eine Tür weiter klingelte, öffnete niemand.
Das verwunderte den Inspektor. Als er auch nach dem zweiten Klingeln keine Reaktion merkte, war er zwar leicht beunruhigt, fuhr aber trotzdem erst einmal mit dem Lift in die Tiefgarage, wo auch seine Harley Davidson parkte.
Die Box, in der ansonsten der silbergraue Bentley stand, war leer. Nun erst fiel Suko ein, daß sein Freund John Sinclair in einem Nachteinsatz unterwegs war. Der schien sich doch länger hingezogen zu haben, sonst wäre der Oberinspektor wieder zurückgekehrt.
Suko blieb nichts anderes übrig, als sich auf seine Harley zu schwingen. Gern tat er das nicht, denn es sah nach Regen aus, auch wenn es zur Zeit trocken war.
Quälerei durch den Morgenverkehr.
Suko kannte dies und regte sich schon gar nicht mehr auf.
Zehn Minuten vor Arbeitsbeginn stellte er seine Maschine auf dem Parkplatz des Yard Buildings ab und fuhr mit dem Fahrstuhl hoch in die obere Etagen, wo er und der Oberinspektor sich ein Büro teilten, das ziemlich klein geworden war, nachdem noch ein zweiter Schreibtisch in dem Raum stand.
Im Flur traf der Chinese Glenda Perkins. Sie diente beiden Männern als Sekretärin. Auch Glenda sah ziemlich grau aus. Ihr steckte das Wetter ebenfalls in den Knochen. Der Morgengruß klang nicht so fröhlich wie sonst.
»Haben Sie John Sinclair nicht mitgebracht?« fragte sie und nickte dankend, weil Suko ihr die Tür zum Vorzimmer aufgehalten hatte.
»Nein.«
»Ist er krank?«
Suko betrat ebenfalls das Vorzimmer, wo Glenda schon an der Kaffeemaschine stand. »Ich weiß es nicht. Sein Wagen stand auf jeden Fall nicht in der Garage.«
»Seltsam.«
»Ich glaube allerdings, daß er einen Nachteinsatz hatte«, sagte Suko und öffnete die Tür zum gemeinsamen Büro.
»Davon weiß ich nichts«, rief Glenda.
»Ging auch Hals über Kopf.«
»Und was war der Grund?«
Suko zog seine lederne Jacke aus. »Kann ich Ihnen nicht genau sagen, Glenda. Soviel ich weiß, mußte er raus zu den Windsors. Angeblich sollte es dort spuken.«
»Der arme John.«
Suko lachte. »Da sagen Sie was.«
Aus dem Nebenraum hörte er das Gluckern der Kaffeemaschine. Die braune Brühe lief ein. Suko wußte, daß Glenda gleichzeitig auch Tee kochte. Sie würde ihm eine Tasse bringen.
Mittlerweile hatte sich der Chinese auch an das gewöhnt, was ein normaler Polizeibeamter so haßt. Das Bearbeiten der Akten. Und zu bearbeiten gab es immer etwas.
Morgens lagen schon die Kopien über bestimmte Fälle der vergangenen Nacht auf dem Schreibtisch der zuständigen Beamten. Die mußten sorgfältig durchgegangen und nach Parallelen oder Gemeinsamkeiten untersucht werden. Und zwar sofort.
Suko machte sich an die Arbeit. Er blätterte den Wust dünner Papiere auf und hörte plötzlich aus dem Vorderraum eine bekannte Stimme. Die des Superintendenten Sir James Powell.
Der Alte bemühte sich persönlich her, das tat er ansonsten nur recht selten. Schon erschien seine Gestalt auf der Türschwelle. Wie immer trug er einen korrekt sitzenden Anzug, ein weißes Hemd und eine dezente Krawatte aus schwerer Seide. Die Augen hinter den dicken Brillengläsern blickten unmutig, als er den Raum durchstreifte. »Ist Oberinspektor Sinclair nicht da?«
»Nein, Sir.«
»Hat er eine Nachricht hinterlassen?«
»Auch nicht, Sir. Ich wundere mich selbst, denn in seiner Wohnung war er nicht.«
»Das ist komisch.«
Suko hob die Schultern. Er war nicht direkt in den Fall eingeweiht und wußte auch nicht, was er dazu
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