0194 - Wenn Hexenhände töten
kurz vor meiner Bewußtlosigkeit noch erkannt hatte, war zwar trübe, aber ihr Schein reichte völlig aus.
Im ersten Impuls hatte ich an den Stricken gezerrt. Doch sie waren einfach nicht zu lösen. Die Familie Gorman verstand ihr Handwerk. Allein würde ich mich aus dieser Lage nicht befreien können. Natürlich machte ich mir meine Gedanken. Ich dachte darüber nach, aus welch einem Grund die Hände aufgestellt worden waren. Wollte man andere damit vielleicht in den Keller locken und hier zu einer Entscheidung zwingen?
Und wer waren die anderen?
Die geisterhaften Gestalten mit Madeleine de Haivilland an der Spitze?
Eine andere Erklärung fand ich nicht. Ich wußte auch nicht, in welch einem Zusammenhang die de Haivillands mit den Gormans standen. Für mich war wichtig, daß ich aus diesem verfluchten Keller herauskam. In Anbetracht der Dinge würde dies jedoch ein Wunschtraum bleiben. Trotz dieser mißlichen Situation verspürte ich keinerlei Angst. Schließlich wußten meine Kollegen Bescheid, wo ich zu finden war. Sicherlich würde Sir James eine Suchaktion starten. Allerdings hatte die Sache bei genauerem Hinsehen einen Nachteil. Ich befand mich auf dem Gelände, das zu Schloß Windsor gehörte. Und Sir James würde sich hüten, hier mit einem Großaufgebot an Polizisten zu erscheinen. Das hätte unweigerlich einen Skandal gegeben, der den Windsors nicht zugemutet werden konnte. Die Nation konzentrierte sich auf Lady Di, die im Frühsommer ein Kind bekommen würde. Das waren positive Schlagzeilen, die ein wenig mithalfen, das Image des gebeutelten Großbritanniens wieder zu heben.
Also mußte ich abwarten.
Leider wußte ich nicht, wieviel Zeit vergangen war. Auch war es mir nicht möglich, auf meine Uhr zu schauen, da ich die Arme nicht bewegen konnte. Ich rechnete allerdings damit, daß der nächste Tag längst angebrochen war.
So blieb für mich nur eine Möglichkeit.
Warten!
Ich konzentrierte mich auf die Geräusche, die im Haus aufklangen. Hin und wieder hörte ich Schritte. Sie klangen dumpf und wurden durch die dicke Kellerdecke gedämpft. Manchmal flackerte auch die Birne. Ein Beweis, daß sie nicht völlig in Ordnung war.
Wieder versuchte ich es. Wenn ich die Fesseln schon nicht lockern konnte, so wollte ich wenigstens meinen Kreislauf nicht völlig einschlafen lassen. Immerhin konnte ich die Zehen und die Finger bewegen. In meiner Lage empfand ich dies als Erleichterung.
Und dann hörte ich Schritte.
Allerdings nicht über mir, sondern aus dem Keller. Jemand kam die Treppe hinunter, ich vernahm das harte Aufschlagen der Sohlen auf dem Steinboden, und erst vor der Kellertür verstummten die Geräusche.
Dafür wurde ein Schlüssel in das Schloß geführt, eine Drehung, quietschend schwang die Tür nach innen, und im nächsten Moment sah ich das rothaarige Mädchen.
Für einen Augenblick blieb es in der Türöffnung stehen. Es schaute mich an, wobei ich keine Veranlassung sah, meinen Blick zu senken.
Maureen hieß sie, das hatte ich noch gehört. Sie hatte sich umgezogen, trug einen wollenen Rock von blauer Farbe, eine weiße Bluse und darüber eine Strickjacke, die offenstand. In der rechten Hand hielt sie ein Glas. Eine gelbe Flüssigkeit schimmerte darin, die mich an Limonade erinnerte.
Da Maureen nicht sprach, übernahm ich die Initiative. »Wollen Sie begutachten, ob Ihre Familie mich auch richtig gefesselt hat?«
»Nein, Mr. Sinclair.« Meinen Namen wußte sie also auch schon.
»Was wollen Sie dann?«
»Ihnen ein wenig zu trinken bringen.« Ihre Stimme klang leise.
»Das ist nett. Doch um trinken zu können, brauche ich beide Hände. Können Sie mich nicht losbinden?«
»Das darf ich nicht.« Sie holte tief Luft. »Ich werde Ihnen das Glas aneichen. Normalerweise dürfen es meine Brüder und mein Vater nicht wissen, daß ich hier bin, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Natürlich.«
Maureen setzte sich in Bewegung. Sie warf einen scheuen Blick auf die Bank mit den Händen, als sie um sie herum schritt. Auf ihrem Gesicht bildete sich eine Gänsehaut. In dieser Umgebung fühlte sie sich sehr unwohl.
Dicht vor mir blieb sie stehen. Zum erstenmal sah ich sie richtig aus der Nähe. Rothaarige Frauen haben meistens grüne Augen, so hieß es immer. Ihre Augen waren es nicht. Sie kamen mir vor wie dunkelbraune Haselnüsse.
Ich lächelte. Dann beugte ich den Kopf weit vor, und Maureen kam mir mit dem Glas entgegen. Ich spürte den
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