0195 - Im Schloß der Bestien
das schönste Mädchen der Welt?«
Er beugte sich leicht vor. »Irgendwie hast du recht«, sagte er. »Im Original bist du wirklich zehntausendmal schöner und …«
»Rachsüchtig«, lachte sie und gab ihm einen Schubs. Mit ausgebreiteten Armen segelte er in den Bach, der an dieser Stelle vielleicht hüfttief war. Sofort kam er wieder hoch. »Na warte«, schrie er und begann wie ein Verrückter nach Susy zu spritzen. Sie sah nur eine Möglichkeit, das zu verhindern: Hinterher! Mochten die Fische sich ruhig wundern, wer da zu nächtlicher Stunde solchen Aufruhr ins Wasser brachte, und ein fröhlicher Ringkampf entbrannte, bis sie lachend und ermattet wieder ans Ufer kletterten. »Teufelswerk«, keuchte Mark. »Du bist ja ganz schön frech für dein Alter.«
»Gleich fliegst du wieder ’rein«, drohte Susy ihm an, während er die durchnäßte Jeanshose abstreifte und auswrang. Auch wenn die Nacht warm war, war es nicht ratsam, in durchnäßter Kleidung spazierenzugehen, und Mark wollte den Urlaub nicht von einer Erkältung beendet sehen.
»He, wo ist die Blume geblieben?« fragte Susy und tastete nach dem Pflanzenschmuck, der sich bei der Balgerei gelöst haben mußte.
»Ist doch egal«, behauptete Mark. »Ich pflück’ dir eine neue.« Er umarmte Susy und zog sie ins Gras. Sanft begann er, Streicheleinheiten und Küsse zu verteilen.
»He, kannst du auch mal einen Moment warten?« fragte sie. »Ich habe da etwas gehört.«
Aber dann dachte sie schon selbst nicht mehr daran. Sie kam gar nicht mehr dazu, denn Marks Zärtlichkeiten schwemmten alles andere hinweg.
***
Zamorra sprang den Wolf an, warf sich gegen ihn, um ihn von Nicole fortzureißen, die aufgerichtet auf dem Bett saß und das Tier aus weitaufgerissenen Augen anstarrte. Zamorras Fäuste packten den Wolf, rissen den massigen Körper herum. Das Tier drehte sich in seinem Griff, und die lange Schnauze mit den spitzen Zähnen packte zu.
Erst als Zamorra seinen Arm wieder frei hatte, fiel ihm auf, wie leicht ihm dies gelungen war. Er riß den Wolf mit sich vom Bett und holte mit der Faust zu einem Schlag aus, der das Tier zumindest betäuben mußte. Aber der Wolf duckte sich, sprang zur Seite.
Und dann geschah etwas verblüffendes.
Er ließ sich einfach auf den Teppich fallen, rollte sich auf den Rücken und winselte!
»Ich werd’ verrückt!« stieß Zamorra entgeistert hervor.
Nicole, die immer noch auf dem Bett kauerte, hatte sich inzwischen von ihrem Schrecken erholt. Sie wischte sich mit dem Handrücken durch das Gesicht. »Dummes Vieh!« schimpfte sie.
»Häh?« machte Zamorra, der die Welt nicht mehr begriff. Moment mal – als der Wolf nach seinem Arm schnappte, hatte er nicht zugebissen, sondern nur ganz sanft zugefaßt!
»Mitten durchs Gesicht hat mich das Vieh geleckt!« schimpfte Nicole weiter, während der Wolf sich jetzt wieder auf den Bauch rollte, sich lang ausstreckte und den Kopf auf die vorgestreckten Pfoten legte. Dabei sah er Zamorra an und blinzelte!
Verblüfft starrte Zamorra ihn an.
»Hör mal«, murmelte er. »Dich gibt’s gar nicht! Du bist eine Halluzination! Deine Gattung ist in dieser Gegend ausgestorben! Löse dich auf, husch!«
Aber der Wolf tat ihm den Gefallen nicht. Er erhob sich wieder, wedelte kräftig mit dem Schwanz und sprang wieder auf das Bett. Nicht aber, um Nicole anzugreifen, sondern um sich darauf auszustrecken und wieder auf den Rücken zu rollen. Erneut schniefte und winselte er.
»Wenn das eine wilde, reißende Bestie ist, freß’ ich ’nen Besen«, verkündete Nicole und berührte das Bauchfell des grauen Räubers. »Sag mal, alter Freund, kennen wir uns zufällig, daß du dich hier benimmst wie zu Hause?«
Der Wolf wedelte noch kräftiger mit dem Schwanz. Er genoß das Fellkraulen offensichtlich.
»Er sagt, ja!« behauptete Nicole.
Zamorra stemmte die Arme in die Hüften. »Ich wußte nicht, daß ich mit einem Wolf schon mal Bruderschaft geschlossen hätte«, murmelte er.
Blitzschnell rollte sich der Graue wieder herum und sprang ohne erkennbaren Ansatz. Sein mächtiger, schwerer Körper prallte gegen Zamorra, ehe dieser eine Abwehrbewegung machen konnte, und warf ihn auf den Teppich. Der Parapsychologe konnte gerade noch einen Sturz mit den Armen abdämpfen. Dann lag der Wolf auf seiner Brust, schwer wie zwei Kartoffelsäcke, und schleckte ihn ab, daß ihm Hören und Sehen verging. »Aufhören!« keuchte er. »Sofort aufhören, Mistvieh! Laß das!«
Nicole war aufgestanden, stand
Weitere Kostenlose Bücher