0195 - Im Schloß der Bestien
Blödmann!« zischte sie Mark an. »Mich so zu erschrecken!«
Mark grinste. »Ich wollte mal ausprobieren, wie ich wirke«, sagte er unbekümmert. »Bist du mir sehr böse?«
»Ja!« fauchte sie. »Ich dachte, es sei wirklich ein Wolf draußen und hätte dich angefallen.«
Mark streckte den Arm aus und berührte ihre Schultern. »Ich dachte nicht, daß es so echt wirkt. Aber weißt du … ich konnte einfach nicht widerstehen. Dieser Blödsinn, den die Eingeborenen im Dorf verzapft haben … vielleicht werden die auf die gleiche Weise hereingelegt. Kommst du mit nach draußen? Es ist wunderschön. Wir könnten einen Mondschein-Spaziergang machen, zur Beruhigung gewissermaßen.«
»Na gut, du dummer Kerl«, sagte sie. »Einschlafen kann ich jetzt doch nicht. Warte, ich ziehe mir …«
Er schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Hand, um sie mit sich nach draußen zu ziehen. »Warum denn?« fragte er. »Bleib ruhig so. Es ist herrlich warm, und außerdem sieht uns doch keiner! Komm!«
Draußen richtete er sich auf. Susy folgte ihm. Das Mondlicht schien hell auf die Wiese herab und badete Susys nackte Schönheit in milchweißes Licht.
»Wie eine Göttin siehst du aus«, sagte Mark. »Eine Sternengöttin. Warte einen Moment.« Er lief ein paar Schritte weit, bückte sich und kam mit einer Blume zurück, die er Susy ins Haar steckte. »Prachtvoll«, stellte er fest. »Du müßtest dich sehen können.«
Er zog sie wieder mit sich. »Komm mit zum Bach, da kannst du dich im Wasserspiegel bewundern. Du bist das schönste Mädchen der Welt.«
»Mit deinen Schmeicheleien kannst du dein albernes Wolfsgeheul auch nicht entschuldigen«, sagte sie. Er blieb stehen, drehte sich ihr kurz zu und küßte ihre Nasenspitze. »Du darfst dich revanchieren«, versprach er.
»Das ist ein Wort«, stellte sie fest. Hand in Hand gingen sie zum Bach hinüber. Sie wandten sich nicht um, und sie hätten die Burg auch nicht unmittelbar sehen können, da ein niedriger Wald den Hügel aufwärts die Direktsicht versperrte.
Aber zwei große Fenster der Burg waren hell erleuchtet.
In der Dunkelheit sahen sie von weitem aus wie die Augen eines Ungeheuers.
***
Vor der Tür von Nicoles Schlafraum blieb Zamorra stehen. Er meinte, Nicoles Stimme zu vernehmen. »… nicht etwas sanfter machen?« murmelte sie verschlafen.
Daß Nicole im Schlaf sprach, war ihm neu. Aber wann einmal wäre man bei ihr vor Überraschungen sicher gewesen? Er lauschte weiter. Was würde sie da hinter der dünnen Zimmertür noch an Geheimnissen ausplaudern?
Ihre Stimme wurde etwas lauter. »He, rasieren könntest du dich aber ruhig, cherie!«
»Häm-häm«, machte Zamorra undeutlich und legte die Hand auf den Türgriff. Eine Gesprächspause setzte ein, und dann …
Dann ließ ihr entsetzter Aufschrei auch Zamorra zusammenfahren. »Ein Wolf!« gellte es von jenseits der Tür.
Die flog auf, und Zamorra stürmte ins Zimmer, bereit, Nicole selbst unter Einsatz seines Lebens vor der Bestie zu retten.
Auf welchem Weg ein Wolf in das sorgfältig abgeschirmte Château Montagne eindringen konnte, fragte er sich erst gar nicht, noch weniger, wieso es im Loire-Tal plötzlich wieder Wölfe geben sollte.
Er handelte!
***
Der Bach war nur ein paar Dutzend Meter entfernt und plätscherte gelassen im Schutz etlicher Büsche dahin. Kristallklares Wasser sah Susy und Mark einladend entgegen.
Sie kamen aus den schottischen Lowlands und verbrachten hier so etwas wie einen Sommerurlaub. Überraschend gut war das Wetter geworden, für England geradezu unverhältnismäßig warm und trocken. Und so hatten sie das Zelt auf den Dachgepäckträger des Morris Mini gepackt, die Schlafsäcke dazu, und waren losgeprescht.
Vor Ablauf von zwei Wochen sollte Edinburgh sie nicht wiedersehen, hatten sie geplant. Susys Eltern waren zwar nicht so ganz damit einverstanden gewesen, daß ihr gerade volljährig gewordenes Töchterlein mit einem ungestümen jungen Mann auf Reisen ging, aber Susy hatte sich den Teufel darum geschert und war einfach verschwunden. Sie war gar nicht so sehr darauf erpicht gewesen, auch weiterhin die unschuldig-keusche Jungfrau zu spielen. Denn schon vor ein paar Monaten hatte Mark ihr auf seine zärtliche Art beigebracht, daß es äußerst schöne Dinge im Leben gibt.
Susy sah auf die Wasseroberfläche. Ihr Spiegelbild wurde unruhig verzerrt von den vielen kleinen Wellenbewegungen. »Dieses runzlige, faltige Etwas«, sagte sie und deutete auf das Wasser, »nennst du
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