0196 - Flucht vor den Riesenspinnen
Manuela.
»Viel weiß ich nicht über die Etrusker«, erklärte Zamorra. »Nur eben, daß sie ihre Toten in diese Nekropolen brachten und sie innerlich recht kunstvoll ausstatteten.«
»Die Toten?« unterbrach Manuela mit undamenhaftem Grinsen.
»Die Grabhügel, nicht die Toten!« korrigierte Zamorra ungnädig. »Wenn wir also gleich so ein Ding betreten, erschreckt nicht, wenn ihr auf den steinernen Särgen ruhende Gestalten seht, die in angeregter Unterhaltung befindlich zu sein scheinen. Beim näheren Hinsehen erkennt man sie als künstliche Figuren, teilweise auch nur Reliefs, die diese Verstorbenen darstellen sollen. Die Etrusker gingen dann hin und hielten Zwiesprache mit den Toten.«
»Ähnlich wie die Japaner mit ihren Totenschreinen und Altären«, sagte Manuela.
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Nur ähnlich, nehme ich an. So ganz genau hat das noch niemand erforscht, glaube ich. Es gibt auch kaum Aufzeichnungen.«
»Diese Hügel sehen aus, als hätte jemand den oberen Teil einer Kugel aus der Erde ragen lassen«, murmelte Nicole.
»Vielleicht hat sich Ledoux hier seine Anregung geholt«, lächelte der Parapsychologe. Manuela und Nicole sahen ihn fragend an. Bill lächelte wissend.
»Ledoux war ein Vertreter der sogenannten Revolutionsarchitektur in Frankreich, irgendwann zwischen 1770 und 1820. Er entwarf unheimlich riesige und bizarre Bauwerke, von denen die meisten Utopien und Träume blieben. Unter anderem eine Art Friedhof in Gestalt einer Kugel - ein zu damaligen Zeiten kaum zu realisierendes Projekt. Die obere Kugelhälfte sollte aus dem Boden ragen, sozusagen als Treff- und Aufenthaltsraum für Feierlichkeiten, und die unterirdische Kugelhälfte wurde dann als Grabstättenzugang verwendet. Das ganze Ding war riesig, ein paar hundert Meter durchmessend oder so, und ist nie verwirklicht worden.«
»Eigentlich schade«, bemerkte Manuela trocken. »Es zeigt doch nur, daß die alten Ägypter mit ihren Pyramidengräbern für ewig unerreicht geblieben sind.«
Langsam gingen sie weiter.
Sie schlenderten zwischen den Ruinen und Fundamenten herum und näherten sich den beiden Grabhügeln. Ihre Größe paßte eigentlich nicht zu jener Siedlung, die nur ein paar Häuser gehabt haben konnte.
»Kannst du feststellen, welcher der Hügel es ist?« fragte Zamorra und sah Nicole an, die noch immer sein Amulett trug, und dies in recht jugendgefährdender Weise. Nicole schüttelte den Kopf. »Je näher wir kommen, desto zerstreuter wird alles.«
»Wir können ja Wetten abschließen«, sagte Bill leichthin. »Wer zuerst den richtigen Eingang findet, hat gewonnen.«
»Au ja«, sagte Manuela. »Ich finde ihn bestimmt schneller als du, und dann hast du ein Fäßchen Bier auszugeben.«
Zamorra sah fragend von einem zum anderen. Als auch Nicole, wenn auch wenig überzeugt, nickte, streckte er die Arme aus. »In Ordnung, teilen wir uns auf. Pro Hügel zwei Mann, einer rechts, einer links. Wer zuerst fündig wird, schreit laut.«
Sie trennten sich sofort. Nicole und Manuela entschlossen sich für den linksseitig aufragenden Hügel, Zamorra und Bill für den Rechten. Knapp nickten die beiden Männer sich zu und trennten sich, um »ihren« Hügel von beiden Seiten zu umrunden.
»Jetzt bin ich aber gespannt«, murmelte Manuela. »Sagt dein Amulett eigentlich immer noch nichts?«
Sie hatten den Fuß des grünbewachsenen Hügels erreicht. Nicole schüttelte den Kopf. »Nichts. Nur so eine Art Streustrahlung.«
Sie ging nach links.
Manuela blieb sekundenlang stehen, dann aber setzte auch sie sich in Bewegung. Sie war gespannt, wer den Eingang zuerst entdecken würde - den Eingang des richtigen Hügels.
Sie war noch keine dreißig Schritte gegangen, als sie den Schrei hörte.
***
Der Mann, der den Schatten einer Spinne warf, bog in einen kleinen Seitengang ab. Frederic und Cathy schätzten, daß sie sich jetzt ungefähr in der Mitte der Totenstadt befanden. An einer Stelle waren die steinernen Särge entfernt worden, so daß ein größerer Raum entstand. Jetzt erkannten die beiden Veränderten auch Wanddurchbrüche, die von hier aus in andere Querstollen des Hügels führten.
Der Schwarze blieb stehen. Er sah die Veränderten prüfend an. Frederic warf einen Blick auf Cathy und erschrak nicht darüber, daß ihre Haut, die längst wie Lack glänzte, sich verfärbt hatte. Sie war dunkler geworden, viel dunkler, und es war der Moment abzusehen, in welchen sie völlig schwarz sein würde.
Frederics Haut war
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