0197 - Mörder im Chinesenviertel
Holländers Bescheid geben. Einen Augenblick!«
Der Chef ließ sich mit dem Einsatzwagen der Mordkommission verbinden. Er sagte den Kollegen Bescheid wegen des Holländers. Anschließend sprachen wir die ganze Geschichte noch einmal gründlich von allen Seiten her durch. Als ich das Büro des Chefs verließ, war es bereits abends gegen sieben.
Ich ging in mein Office zurück und rief im Krankenhaus an. Der Arzt sagte mir, daß Phil am nächsten Morgen entlassen würde. Er sei beschränkt arbeitsfähig, würde allerdings gut daran tun, die nächsten Tage nur Innendienst zu machen. Ich ließ Phil grüßen und legte den Hörer auf.
Den Abend verbrachte ich in der Pension, nachdem ich unterwegs rasch eine Kleinigkeit gegessen hatte. Im Laufe des Abends trudelten noch zwei Mädchen und sechs Männer ein, die Opium rauchen wollten. Wir stellten von allen die Adressen fest und ließen sie danach wieder nach Hause gehen. Es bestand kaum die Gefahr, daß sie fliehen würden. Lediglich zwei Süchtige, die vor Gier nach dem Gift schon halb verrückt spielten, ließen wir sofort in eine Entziehungsanstalt bringen.
Gegen elf Uhr fuhr ich nach Hause. Ich war rechtschaffen müde und hatte starke Kopfschmerzen. Ich nahm eine Tablette gegen die Schmerzen. Der Whisky, den ich trank, wollte nicht schmecken. Phil fehlte mir. Wie oft hatten wir zusammen bei mir im Wohnzimmer gesessen und Schach gespielt. Das Zimmer kam mir wie verlassen vor.
Ich schlief tief und traumlos, bis mich das Telefon aufschreckte. Ich dachte zuerst, es wäre der Wecker, und fegte ihn wütend vom Nachttisch. Dann merkte ich, daß es das Telefon war.
Schlaftrunken knipste ich das Licht an und sah auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach vier. Ärgerlich huschte ich auf nackten Füßen ins Wohnzimmer und nahm den Hörer.
»Cotton«, sagte ich nicht gerade freundlich.
»Hallo, Jerry! Hier spricht Jack Corson. Wir bekamen gerade einen Anruf von einem Streifenbeamten der Stadtpolizei. Er hat 0‘Brien in einem Nachtlokal am Broadway gesehen. Er fragt an, was er tun soll. Du leitest die Sache, also mußt du es entscheiden.«
Ich war mit einem Schlage hellwach.
»Sag ihm, er soll das Lokal im Auge behalten und aufpassen, ob O'Brien die Bude verläßt. Welches Lokal ist es denn?«
»Die ,C.hackerlv-Bar‘ in der Nähe der Kreuzung mit der 84. Straße.«
»Ich bin in spätestens einer halben Stunde da. Wenn O'Brien das Lokal vorher verläßt, soll der Cop versuchen, ihm unauffällig zu folgen. Aber er soll sich auf nichts einlassen. Ich möchte nicht, daß er ins Gras beißt. Schärfe ihm gründlich ein, daß O'Brien möglicherweise ein Mörder ist, und daß er deshalb besonders vorsichtig sein muß.«
»Ist in Ordnung, Jerry. Willst du O'Brien selber abholen?«
»Ja.«
»Ganz allein? Nimm doch lieber noch einen Kollegen mit! Ich zum Beispiel könnte mich bequem für eine Stunde.« Ich lachte. »Also gut, Jack! Wir treffen uns in dreißig Minuten vor der ›Chackerly-Bar‹. Vergiß nicht, deine Kanone mitzubringen!«
***
»Er ist noch drin, Sir«, meldete der Cop, als wir uns kurz nach halb fünf mit ihm vor der Bar trafen.
»Wie kam es überhaupt, daß Sie ihn bemerkten?« erkundigte ich mich. »Ging er gerade hinein, als Sie hier vorüberkamen?«
»Nein, Sir. Der Besitzer hatte im Revier angerufen. Da waren zwei junge Burschen drin, die ihm zu viel Radau machten. Der Lieutenant schickte mich. Ich schrieb die Namen der beiden auf und setzte sie an die Luft. Dabei sah ich O'Brien.«
»Ist er allein?«
»Nein, Sir. Er hat eine Blondine,bei sich. So ein aufgetakeltes Frauenzimmer.«
»Ist er betrunken?«
»Das glaube ich nicht, Sir, obgleich er bestimmt schon einiges verkonsumiert hat. Aber daß er richtig betrunken wäre, davon habe ich nichts bemerkt. Allerdings habe ich ihn auch nicht sehr gründlich beobachtet. Ich dachte mir, es würde vielleicht auffallen, wenn ich ihn zu lange anstarre.«
»Sie sind ein tüchtiger Mann«, sagte ich anerkennend. »Vielen Dank! Sie haben vollkommen richtig gehandelt. Jetzt können Sie zum Revier zurückkehren. Den Rest machen wir schon.«
Er grüßte und marschierte davon. Seine Schritte hallten laut vom Trottoir. Wir prüften rasch noch einmal den Sitz der Dienstpistole, drückten uns die Hüte fester in die Stirn und gingen auf das Lokal zu. Bisher hatten wir ein Haus weiter gestanden und unsere Unterredung mit dem Polizisten im Schatten eines Hauseinganges gehalten.
Auf dem Broadway herrschte noch immer
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