0197 - Mörder im Chinesenviertel
Betrieb, wenn, auch der dickste Verkehr schon vorbei war. Aber in den Nachtlokalen trieben sich noch immer genug amüsierbedürftige New Yorker und Touristen aus der ganzen Welt herum. Die Parkplätze waren gewöhnlich bis auf den letzten Platz in Anspruch genommen.
Ich hatte den Jaguar in einer Seitenstraße untergestellt, weil es keinen anderen Platz dafür gab, hatte ich ihn direkt unter ein Parkverbotsschild gestellt. Hoffentlich kam nicht zufällig ein anderer Cop von der Stadtpolizei vorbei und schrieb die Nummer auf. Es wäre reine Papierverschwendung gewesen, denn das FBI löscht meine Strafmandate automatisch.
Wir stiegen die breiten, flachen Stufen hinan, die zur ,Chackerly-Bar‘ führten. Die Bude gehörte zu der mittleren Preislage. Oben an der großen Schwingtür stand ein Hüne in einer blaugoldenen Uniform, die deutliche Anklänge an gewisse militärische Uniformen zeigte. Er riß uns die Tür auf und gleichzeitig seine Mütze vom Kopf. Wir nickten huldvoll wie die Paschas.
Gleich hinter der Schwingtür empfing uns eine brünette Schönheit, deren wippendes Röckchen keinen Millimeter hätte kürzer sein dürfen. Dafür hatte der Schneider dieses Kostüms am Hals mit Stoff gespart. Das weiße Schürzchen, das kokett auf dem Röckchen aufgeheftet war, konnte man bestimmt in einer gewöhnlichen Streichholzschachtel unterbringen.
Wir vertrauten ihr unsere Hüte an und steckten die Marken in die Rocktaschen. Mäntel hatten wir gleich gar nicht mitgebracht. Sie verlangte von uns zwei Dollar fünfzig pro Nase Eintritt.
»Unsere Spesenabteilung wird erfreut sein«, brummte Jack und legte einen Fünfer auf den Garderobentisch. Sorgfältig steckte er die Eintrittskarte ein.
Das Lokal war kreisförmig angelegt. Dem Eingang genau gegenüber befand ■sich ein kleines Podium, auf dem eine Vier-Mann-Band heiße Sachen produzierte. Links von ihr gab es eine winzige Bühne, auf der die üblichen Nummern einer Mitternachtsshow abgespult wurden. Jetzt war die Show natürlich längst vorüber, aber die Stimmung unter den Gästen schien den Höhepunkt erreicht zu haben. Lachen, laute Stimmen und rote Gesichter, wohin man blickte.
Ein befrackter Kellner schoß auf uns zu und dirigierte uns in eine der zahllosen Nischen. Dort war tatsächlich noch ein Tisch frei. Wir ließen uns nieder. Der Kellner packte uns ein dickes Buch vor die Nase. Getränke stand in Goldlettern darauf, weiter nichts.
Ich warf Jack einen kurzen Blick zu. Der Kollege entschied sich sehr schnell, und er machte es nicht ungeschickt.
»Bringen Sie erst einmal zwei Whisky«, kaute er gelangweilt hervor. »Wir wissen noch nicht, ob wir bleiben.«
»Sehr wohl, meine Herren«, näselte der Kellner und stelzte davon.
Wir hielten unauffällig Ausschau. 0‘Brien war seiner Beschreibung nach ein Mann von zweihundert Pfund, und eine solche Figur ist nicht leicht zu übersehen. Wir fanden ihn denn auch ziemlich schnell an einem Tisch, der nahe der Bühne stand.
Aus der einen Blondine, von der uns der Polizist erzählt hatte, waren inzwischen zwei geworden. Sie schäkerten mit 0‘Brien, als wenn er der Maharadscha von Hiri-Piri wäre. Er schien sich sehr wohl dabei zu fühlen. Auf seinem Tisch stand ein großer Sektkühler. Offenbar war O'Brien gut bei Kasse.
»Was meinst du, wie wir ihn am besten dort weglotsen können?« fragte mich Jack halblaut.
Ich peilte noch einmal die Lage. Dann fiel mir ein, daß im Vorraum nicht nur die Gar derobe war, sondern daß ich dort auch zwei Türen mit der Aufschrift Telefon gesehen hatte. .
»Ich glaube, es geht einfach«, erwiderte ich. »Wir trinken den Whisky aus, zahlen und gehen. Du verschwindest draußen in der nächsten Telefonzelle und rufst das Lokal an. Du verlangst 0‘Brien zu sprechen. Sie werden das Gesnräch in eine der beiden Zellen draußen im Vorraum legen. Ich warte dort und nehme OBrien in Empfang, wenn er könnt.«
»Okay. Aber sei vorsichtig!«
»Ich werde schon auf mich aufpassen. Keine Angst.«
Wir prosteten uns zu und tranken den Whisky. Er schmeckte sehr gut. Daß wir für die beiden Dinger allerdings acht Dollar sechzig bezahlen mußten, war Halsabschneiderei. Wir verlangten eine Quittung und beglichen die Rechnung. Der Ober schrieb die Quittung mit einem Gesicht aus, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Von Gästen, die nach zwei Whisky das Lokal schon wieder verlassen wollten, schien er nichts zu halten.
Als die Tanzfläche gerade vollbesetzt war, verdrückten wir uns
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