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0197 - Mörder im Chinesenviertel

0197 - Mörder im Chinesenviertel

Titel: 0197 - Mörder im Chinesenviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mörder im Chinesenviertel
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Ihnen!«
    Der Junge stürzte uns von einer Überraschung in die andere.
    »Erzählen Sie das doch mal ausführlich«, bat ich.
    Er schlug die Beine übereinander und zog wieder an seiner Zigarette. Das weiße Stäbchen verschwand fast zwischen seinen klobigen Fingern. Als er den Rauch ausblies, begann er.
    »Also wie gesagt, ich hatte mein Schiff verpaßt. Sah böse für mich aus, denn ich hatte noch knapp zwei Gulden, keinen einzigen Dollar und auch sonst keine Reichtümer auf dem Leibe. Na, wenn man in einer Patsche sitzt, soll man erst mal einen Schluck trinken. Dann sieht alles gleich anders aus.«
    Er sah uns unzweideutig an. Ich grinste, zog die Whiskyflasche aus dem Schreibtisch, die ich für solche und ähnliche Zwecke meistens vorrätig habe, schenkte ihm einen Doppelstöckigen ein und wartete, bis er ihn schmatzend vertilgt hatte.
    »Ich suchte mir damals ‘ne Kneipe, wo ich in Ruhe nachdenken konnte. Leider kam ich nicht dazu. Da war ein Kerl, der konnte keine Holländer ausstehen. Na, und ich kann nun wieder keine Kerle ausstehen, die keine Holländer ausstehen können. Er sagte mir, daß er mich am liebsten vom Top eines Lademastes herabbaumeln sähe. Ich sagte ihm, er passe am besten ins Krematorium. Das nahm er übel. Er schlug mir eine Bierflasche auf dem Kopf entzwei. Da hörte aber wirklich der Spaß auf. Ich langte ihm eines mit der linken Hand. Daß dabei gleich zwei andere mit umfielen, war reifes Versehen.«
    Er betrachtete geradezu liebevoll seine Pranke. Ich konnte mir diese Hände in Aktion vorstellen und grinste. Er fuhr nach kurzer Pause fort.
    »Das kleine Spielchen hatte ein Mann beobachtet, der in einer- Nische saß und Kaffee trank. Er rief mich an, ob ich einen Whisky mit ihm trinken möchte. Ich sagte, wenn‘s nicht bei einem bliebe, ließe sich darüber reden.«
    Er zerdrückte den Rest seiner Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und ließ ihn in den Aschenbecher auf meinem Schreibtisch fallen. Von der Glut schien er nichts gespürt zu haben. Ohne zu bemerken, welchen Eindruck es auf uns machte, erzählte er weiter:
    »Der Mann bezahlte sechs Whisky für mich, bevor er mit der Sprache rausrückte. Ob ich nicht Interesse an einem guten Job hätte, fragte er. Er zahle hundert Dollar die Woche. Hundert Dollar sind viel Geld für einen sitzengebliebenen Matrosen. Also nahm ich an.«
    »Wie heißt der Mann?« unterbrach ich. Er kramte eine abgerissene Kinokarte aus seiner Manteltasche und legte sie mir auf den Tisch.
    »Ich habe seinen Namen hinten drauf geschrieben«, erklärte er dabei. »Der Kerl ist ein Bulgare, ein Jugoslawe oder sonstwas vom Balkan. Ich kann das nicht aussprechen. Er hat mir‘s buchstabiert.« In großen, etwas ungelenken Blockbuchstaben war IWAN JAROSLAW auf die Rückseite der Karte gemalt. Ich griff zum Telefon und gab den Namen in unser Archiv durch, damit man inzwischen nachsah, ob uns der Mann bekannt war.
    »Bitte, erzählen Sie doch weiter«, bat ich anschließend.
    »Da gibt's nicht mehr viel zu erzählen«, meinte der Holländer. »Dieser komische Kauz, der zu viele Dollar hat, erzählte mir, er brauche mich nur zweimal in der Woche. Dienstag- und Freitagabend. Dafür wollte er tatsächlich schon die hundert Dollar ausspucken. Ich wurde natürlich mißtrauisch. Er sagte, er wäre Vertreter, aber es gäbe eine Konkurrenzfirma, die hätte wahrscheinlich richtige Verbrecher gemietet, um ihn überfallen und halbtot prügeln zu lassen, damit er seinen Job nicht mehr ausführen könnte. Na, Junge, ich habe eine Menge amerikanische Gangsterfilme gesehen, und ich muß schon sagen, in der Hinsicht ist ja bei euch was los. Also für so was bin ich der richtige Mann. Ich möchte mal die Gauner sehen, die sich mit mir anlegen oder mit einem Mann, den ich beschütze! Die würde ich weichkneten wie Schaumgummi.«
    Ich sagte nichts, sondern schenkte ihm noch einen ein. Er zeigte sich dankbar, denn er sprach sofort weiter.
    »Das ging ungefähr drei Wochen so. Jeden Dienstag und jeden Freitag trafen wir uns abends um sieben an der Ecke Broadway-Fifth Avenue und schaukelten los. Er muß'te Pensionen, kleine Hotels und Caféstuben besuchen. Ich hatte keine Ahnung, was er den Leuten eigentlich verkaufte, und es ging mich ja auch nichts an. Aber dann wurde ich doch mißtrauisch. Wir waren nämlich von Anfang an nicht allein gewesen, sondern es war immer ein Chinese mit uns losgeschaukelt, und dieser Bursche brachte gleich drei Leibwächter mit. Mit der Zeit kriegte ich

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