0197 - Mörder im Chinesenviertel
wir, daß in den letzten sechs Wochen — wahrscheinlich aber schon länger — insgesamt vierzehn Hotels, kleine Lokale und Pensionen regelmäßig mit Opium beliefert worden waren.
Ich sah, Phil an. Er schüttelte fassungslos den Kopf. Das war viel mehr, als wir angenommen hatten. Hier mußten Riesenumsätze erzielt worden sein.
Ich rief Mr. High an und teilte ihm mit, was wir erfahren hatten. Er bat uns, sofort zu ihm zu kommen, und den Holländer sollten wir mitbringen.
Nachdem der Chef alles erfahren hatte, was wir wußten, sagte er nachdenklich:
»Heute ist Freitag. Sie müßten also heute abend wieder diese Lokale aufsuchen, Mister Vermoeren?«
»Ja. Aber kann mir vielleicht mal jemand sagen, was denn nun eigentlich in diesen verdammten Päckchen drin ist?«
»Opium«, sagte Mr. High.
Der Holländer verzog das Gesicht. »Also doch!« brummte er. »Li-Tschou sagte mir schon, daß die Polizei im Zusammenhang mit ihrem Vater was von Opium gesagt hätte. Das ist ja eine schöne Schweinerei, in die ich da reingetappt bin!«
Damit hatte er zweifellos recht. Wir würden zwar darauf verzichten, gegen ihn eine Anklage zu erheben, denn wir hatten keinen Grund, die Wahrheit seiner Aussage zu bezweifeln. Und danach hatte er ja nicht gewußt, was er in Wirklichkeit tat, indem er für einen Mann Leibwächter spielte. Trotzdem aber konnte es böse für ihn werden, wenn der Staatsanwalt darauf bestand, ihn als wichtigen Zeugen in Haft zu nehmen, damit er sich nicht absetzen konnte. Mr. High schien meine Gedanken erraten zu haben, denn er sagte:
»Ich werde ein gutes Wort für Mister Vermoeren beim Staatsanwalt einlegen. Vielleicht kann man völlig darauf verzichten, ihn als Zeuge zu vernehmen. Aber das ist im Augenblick eine Frage, die uns jetzt nicht interessiert. Zunächst geht es darum, die Bande hinter Schloß und Riegel zu bringen. Als ersten brauchen wir unbedingt diesen Gibson. Es sieht ganz danach aus, als ob O'Brien und Gibson zusammen sowohl das Mädchen als auch den Spanier umgebracht hätten. Da 0‘Brien tot ist, müssen wir uns an Gibson halten. Haben Sie keine Ahnung, Mister Vermoeren, wo man diesen Gibson treffen kann?«
Der Holländer zuckte die Achseln: »Heute abend! Er wird bestimmt mit dabei sein, wenn mein Boß und ich wieder das Opium verteilen.«
»Ich denke, in der letzten Zeit hätten Sie das mit Ihrem Boß allein gemacht?«
»Ja, aber es ist ausdrücklich gesagt worden, das ab heute wieder die ganze Mannschaft mit von der Partie ist. Warum die Kerle in der vorigen Woche nicht konnten, weiß ich nicht.«
»Ich glaube nicht, daß er kommen wird«, sagte Phil. »Er wird bestimmt inzwischen erfahren haben, daß O'Brien verhaftet werden sollte und dabei tödlich abstürzte. In Gangsterkreisen spricht sich so etwas schneller rum als über die Radiosender.«
»Ich glaube auch nicht, daß er kommt«, sagte ich. »Aber natürlich werden wir auf passen. Wo treffen Sie sich mit ihrem Boß, Vermoeren?«
»Wie üblich an der Ecke Broadway-Fifth Avenue. Um sieben Uhr.«
»Dann wollen wir mal die nötigen Vorbereitungen treffen«, sagte Mr. High und griff zum Telefon.
Mit dieser kleinen Geste wurde der Apparat der mächtigsten Polizeiorganisation der Erde in Schwung gesetzt. Ein paar Stunden später sollte es sich schon zeigen, was das FBI zu leisten imstande ist…
***
Es war gegen vier Uhr nachmittags, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren. Phil und ich gingen zurück in unser Office, nachdem wir den Holländer bis zum Fahrstuhl begleitet hatten.
»Ich denke, wir können die Akten dieser Geschichte inzwischen schon auf den neuesten Stand bringen«, schlug Phil vor, als wir wieder hinter unseren Schreibtischen saßen. »Dann haben wir in den nächsten Tagen nicht mehr so viel Papierkrieg. Denn daß die Sache kurz vor ihrem Abschluß steht, das dürfte ja wohl anzunehmen sein.«
»Wir wollen uns nicht zu früh freuen«, winkte ich ab. »Wenn Gibson heute abend nicht kommt und etwa auch dieser Jaroslav Lunte gerochen hat, dann sind wir genau nicht weiter.«
»Doch«, widersprach Phil. »Weil wir nämlich jetzt die Adressen der Opiumhöhlen haben und diesen Jaroslav kennen. Nach der Beschreibung, die uns der Holländer gab, ist es möglich, nach diesem Mann zu fahnden.«
»Mit einem Bild wäre es einfacher«, murmelte ich. »Aber der Kerl scheint ja nicht vorbestraft zu sein, sonst hätten wir bestimmt längst Nachricht aus dem Archiv. Trotzdem will ich mal anfragen.« Unsere Vermutung
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