0198 - Das Höllen-Orchester
d’Oro war unten mit Zamorra beschäftigt gewesen! Und in den wenigen Minuten, die übrig blieben, konnte er nicht vor Zamorra oben gewesen und schon wieder verschwunden sein!
Zamorra war sich sicher, daß d’Oro sich längst nicht mehr im Theaterbau aufhielt. Die Entführungsaktion wäre unsinnig gewesen, wenn er hier eine Falle aufstellte.
Der Dämonenjäger griff zu und rückte Bill im Sessel zurecht. Er mußte versuchen, den hypnotischen Zauberbann, der über seinem Freund lag und ihn gefangen hielt, zu brechen. Zamorra begann sich darauf zu konzentrieren und zwang sich zur Ruhe. Er mußte alle anderen Gedanken ausschalten, auch die Sorge um Nicole, um seine schwachen Para-Fähigkeiten zum Tragen bringen zu können. Denn das Amulett als Verstärker besaß er jetzt nicht mehr. Das hatte der andere, sein Feind!
Zamorra mußte ergründen, wie die Hypnose aufgebaut war. Um das zu erreichen, mußte er in Bills Geist eindringen. Vor ihm kniete Zamorra sich auf den Boden, beugte sich leicht vor und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Sessellehnen ab. Dann berührte er mit den Fingerspitzen Bills Schläfen.
Zamorra fühlte, wie sich in ihm Kraft zu bilden begann, aber sie war schwach, so schwach… Er setzte seine Konzentrationsübungen fort, verstärkte seine Bemühungen und merkte nicht, wie ihm der Schweiß in silbern schimmernden Perlen auf die Stirn trat.
Er mußte irgendwie in Bills Geist Vordringen!
Schon öfters war es ihm mit seinen schwachen telepathischen Anlagen gelungen, in den Bewußtseinsinhalt anderer Menschen vorzudringen, aber meist war er dabei von seinem Amulett unterstützt worden. Ohne es konnte er sich hauptsächlich nur durch Zauberformeln der Weißen Magie helfen. Aber auch diese entzogen ihm Kraft.
Weiter… stärker… er keuchte vor Anstrengung. Es war, als sperre sich der Hypnotisierte dagegen, daß Zamorra in ihn vordrang.
Zamorra hielt die Augen geschlossen. Alle Gedankengänge verloschen im Strom seiner Konzentration. Er mußte zu Bill Fleming…
Und dann - berührte etwas mit stählernem Griff seine Schulter…!
***
Der Rolls-Royce wirkte deplaziert. Das Wasser des East River schwappte mit monotonem Plätschern gegen die Uferbefestigung. Von fern schimmerte Rikers Island herüber.
Hier standen keine Häuser. Nur ein paar kleine Schuppen, weil irgend jemand sie hier aufgestellt hatte. Ringsum war Einöde.
Langsam stieg Marcello d’Oro aus. Die Lichter des La Guardia Airport blinkten herüber. Der Mann mit dem Teufelsauge und den Hörnern auf der Stirn schritt langsam zum Wasser und kniete sich dort nieder. Wo die Wasseroberfläche die wenigen Lichtquellen reflektierte, blitzte es silbern. Der Dirigent beugte sich etwas vor und tauchte seine Hand in das Wasser. Es war brackig warm.
»Hier«, sagte er. »Hier werden wir bleiben.«
Federnd kam er wieder hoch und drehte sich um. Lis war jetzt ausgestiegen und zerrte auch die Entführte aus dem Wagen. Der Dirigent schritt langsam auf sie zu.
»Es ist kalt«, sagte die Schwarzhaarige. »Ich friere.«
Doch der Dirigent achtete nicht auf ihre Worte. Er blieb vor der Französin stehen, die sich immer noch im Hypno-Bann befand.
»Du bist die Gefährtin des Weißen Magiers«, sagte er. »Wie heißt du?«
»Nicole Duval«, kam es über die Lippen der Französin.
Marcello d’Oro sah in die Runde. Im Zwielicht der Nacht sah die Umgebung trostlos aus. Der Dirigent deutete auf eine der Hütten. »Dort wirst du in dieser Nacht bleiben«, befahl er.
Nicole schritt vor den beiden anderen her durch die Dunkelheit. Das Licht der Sterne vermochte die Dunstglocke nur hier und da zu durchbrechen, aber die Aura der neonerhellten Hochhäuser schimmerte herüber. An dieser Stelle war ein großer Bauplatz im Entstehen begriffen; bei Nacht standen die Bauhütten leer. In der Ferne vermochte d’Oro die bizarren Umrisse gewaltiger Baufahrzeuge zu erkennen. Bagger oder Kleinkräne…
Der Boden war uneben, aber fest.
Vor der verschlossenen Tür der Bauhütte blieb d’Oro stehen. Er musterte das gefangene Mädchen mit dem schulterlangen, flammendroten Haar kurz, dann legte er die Handfläche gegen das Türschloß. Ein fahler Blitz sprang in der Dunkelheit auf. Die Holztür schwang wie von unsichtbarer Hand bewegt nach außen auf.
Im Innern des Raumes war es düster.
»Hierin bleibst du, bis wir dich holen«, befahl d’Oro der Hypnotisierten. Ohne zu zögern schritt Nicole in die Dunkelheit. Hinter ihr verschloß der Mann mit den drei
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