02 Arthur und der Botschafter der Schatten
war von durchschnittlicher Breite. Wir hetzten ein paar Dutzend Stufen empor, bis wir von einem Haus verdeckt wurden und von unten nicht mehr gesehen werden konnten. Dann erst hielten wir an.
Wir befanden uns auf einem der vielen Wehrtürme, die sich entlang der Stadtmauer aufreihten. Ich ließ mich neben einer alten Kanone im Schatten der Mauer auf den Boden sinken. Pomet setzte sich direkt auf das heute nutzlose Schießwerkzeug.
»Ihr seid recht flink zu Fuße, Meister«, lobte er mich.
»Danke«, keuchte ich und fischte aus meiner Umhängetasche eine Packung Papiertaschentücher, mit denen ich mir den Schweiß abwischte. Dabei ließ ich den Weg, über den wir hierhin gelangt waren, nicht aus den Augen. Die Karasamoffs konnten immer noch hinter uns her sein. Und selbst wenn wir sie abgehängt hatten, war ich in den Straßen Dubrovniks nicht mehr sicher.
»Nicht weit von hier ist ein Café«, sagte mein Begleiter. »Dort könnt Ihr Euch erfrischen, wenn Ihr mögt.«
Das war eine ausgezeichnete Idee. Das Café lag auf einem Bollwerk in der Mauer. Das flache Gebäude war zur Stadtseite hin errichtet worden; davor erstreckte sich ein Wald von weißen Sonnenschirmen. Ich fragte mich, wie die Betreiber wohl ihren Nachschub hier heraufschafften. Wir setzten uns an einen Tisch direkt an der Brüstung zum Meer, und Pomet bestellte zwei limunada , eine erfrischende Mischung aus eiskaltem Wasser und Zitronensaft.
»Dort seht Ihr Lokrum.« Pomet wies auf eine der Stadt vorgelagerte Insel, die lediglich aus einem bewaldeten Felsen zu bestehen schien – ganz so, als wären wir auf einer völlig normalen Sightseeingtour.
Ich füllte Zucker in meine Limonade und rührte um. »Ist das etwas Besonderes?«
»König Richard Löwenherz hat sich bei der Rückkehr vom Kreuzzug nach einem Schiffbruch dorthin gerettet«, antwortete er. »So sagt zumindest die Legende. Später hat sich dann der österreichische Erzherzog Maximilian eine Residenz auf Lokrum errichtet, die von hier aus nicht zu sehen ist.«
»Von mir aus.« Ich schlürfte meinen Zitronensaft und genoss die Kühle in meinem Hals. »Aber eine Bibliothek gibt es dort nicht, oder?«
Auch Pomet nahm einen Schluck von seinem Saft. Er hatte auf den Zucker verzichtet. »Dereinst mit Sicherheit. Doch heute stehen dort nur noch Ruinen.«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als ich in der Ferne die Umrisse zweier vertrauter Gestalten auf der Mauer bemerkte. »Sie haben uns gefunden!«, rief ich.
»Aber noch nicht entdeckt«, sagte Pomet. Er fasste mich am Arm und zog mich in geduckter Haltung zur Seitentür des Cafés. Dahinter fiel die Mauer steil ab. Die geöffnete Tür hatte einen Flaschenzug vor meinen Augen verborgen. An einer Eisenkette baumelte ein schlichter Metallkäfig, in dem ein leerer Kasten mit Colaflaschen auf den Abstieg wartete.
Das beantwortete meine frühere Frage danach, wie das Café mit neuen Waren versorgt wurde. Allerdings konnte ich mich darüber nicht recht freuen, denn ich wusste bereits, was als Nächstes kommen würde.
»Spring auf!« Pomet stieß mich auf die Mauerkante. Ich ergriff die Kette und ließ mich mit den Knien auf dem schwankenden Käfig nieder. Unter mir ging es bestimmt acht bis zehn Meter in die Tiefe. Ich versuchte, einen besseren Halt zu finden. Dabei kippte der Käfig gefährlich nach rechts. Ich riss mich zu schnell hoch, und der Käfig schwankte zur anderen Seite.
Meine Knie rutschten ab. Ich baumelte mit beiden Beinen in der Luft und bemühte mich verzweifelt, wieder Halt zu bekommen. Dabei versetzte ich die Kette allerdings in noch heftigere Schwingungen als zuvor.
Pomet lehnte sich über die Mauer und hielt den Käfig fest. »Ganz ruhig«, ermahnte er mich. Er hatte gut reden. Schließlich hing er nicht über dem Abgrund. Ich riss mich zusammen und hob vorsichtig erst das eine Bein, dann das andere auf den Käfig hinauf.
»Und jetzt festhalten und nicht wackeln. Wenn Ihr unten seid, lauft gegenüber die Treppe hinunter, bis Ihr zur rechten Hand ein Haus mit einer grünen Tür erreicht. Verbergt Euch dort, bis ich Euch hole.« Pomet ließ los und verschwand hinter der Tür. Ein paar Sekunden später hörte ich das Summen eines Elektromotors, und der Käfig senkte sich langsam herab. Er fuhr nicht ganz bis nach unten, sondern setzte auf einem drahtgeschützten Schuppen auf, in dem mehrere Fässer Bier gestapelt waren.
Ich ließ mich vorsichtig auf den Boden herunter und warf einen Blick zurück. Oben standen die
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