02 Arthur und der Botschafter der Schatten
dessen Seite in einer Lasche ein Bleistift steckte.
Er schlug ein leeres Blatt auf und notierte untereinander die Wörter MISAL, EPISTOLAS und EVANGELIOS, die auf kleinen Schildern unter den Büchern in der Vitrine standen.
»Misal b-bedeutet Messbuch. Epistolas sind die Apostelbriefe. Und Evangelios sind d-die Evangelien«, erklärte er.
»Kryptografie!«, unterbrach ihn Larissa. »Dass ich da nicht eher draufgekommen bin! Und wir hatten es die ganze Zeit vor Augen!«
Ohne zu fragen, zog sie Torres den Block weg und nahm ihm den Bleistift aus der Hand. Sie schrieb ein paar Buchstaben auf, dann darunter eine zweite Reihe und setzte den Vorgang fort, bis sie acht Wörter untereinanderstehen hatte. Dann drehte sie ihre Liste so, dass wir sie sehen konnten:
IISAS
IASAS
PAISI
VIANA
OAILI
APLOL
AISIS
ALSIS
Ich studierte die Begriffe, die sie aufgeschrieben hatte.
»Ich werde daraus nicht schlau«, musste ich schließlich einräumen. »Wie kommst du darauf?«
»Ich habe die drei Wörter in allen möglichen Kombinationen hintereinandergenommen und dann die Buchstaben aufgeschrieben, die der jeweiligen Zahl entsprechen, also den zweiten, dann den achten, dann den dritten und so weiter. Anschließend habe ich das Ganze dann noch mal rückwärts gemacht, also von den letzten Buchstaben der Wörter aus.« Sie seufzte. »Allerdings ergibt für mich auch keine der Kombinationen einen Sinn. Das wäre wohl auch zu einfach gewesen.«
»G-ganz und g-gar nicht«, mischte sich Torres ein. »Die L-lösung ist perfekt.«
Wir sahen ihn fragend an.
»Ihr könnt es nicht w-wissen, denn ihr kennt Córdoba nicht so gut«, strahlte er. »Da, das v-vierte Wort von oben, Viana. Es gibt hier den Palast des Marquis von Viana. Er d-dient heute als Museum und ist b-bekannt für seine ausgesprochen große, alte B-bibliothek.«
Wir fuhren beide wie elektrisiert in die Höhe. Ob das der Ort sein konnte, an dem das Buch der Wege versteckt war?
»Ist dieser Palast weit von hier?«, fragte Larissa.
Torres schüttelte den Kopf. »Eine V-viertelstunde zu Fuß. Aber er schließt um v-vierzehn Uhr. Wir sollten uns also beeilen.«
Der Kellner hatte mit unseren Getränken einen kleinen Teller auf dem Tisch zurückgelassen, auf dem mit einer Plastikklammer die Rechnung festgeklemmt war. Torres zog sie heraus, warf einen kurzen Blick darauf und legte dann ein paar Euromünzen auf das Tellerchen.
Wenig später eilten wir wieder hinter ihm her durch das Labyrinth der Altstadt. Der Detektiv war erstaunlich gut zu Fuß. Obwohl ihm der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief, schien ihm die Hitze nichts auszumachen. Er hatte sogar genügend Energie, uns über die Schulter Erklärungen zu den Gebäuden, an denen wir vorbeikamen, zuzurufen.
»Das sind die arabischen B-bäder«, rief er, oder: »Das ist das M-museum des größten Cordobeser M-malers, der übrigens ein Namensvetter von mir ist: Julio Romero de Torres.« Oder: »Diese Statue ohne K-kopf ist die des römischen Philosophen Seneca, der in Córdoba geboren w-wurde.«
Wir kamen an eine Kreuzung. Rechts von uns konnten wir den Guadalquivir sehen. Torres bog nach links ab. Das war jetzt keine Gasse mehr, sondern eine richtige Straße, ein Zeichen, dass wir die historische Altstadt verlassen hatten. Sie führte einen Hügel empor, auf dessen Gipfel eine Reihe majestätischer Säulen hinter Maschendraht standen, umgeben von hässlichen neuen Bürobauten.
»Die Überreste eines römischen T-tempels«, sagte Torres, ohne anzuhalten. »Er war wahrscheinlich der Anbetung des K-kaisers gewidmet.«
Er bog nach rechts ein. »Was ist das eigentlich für ein Palast, zu dem wir gehen?«, keuchte ich. Der Maure hatte uns geraten, uns langsam zu bewegen, aber Torres schien davon noch nichts gehört zu haben. Mein ganzer Körper war in Schweiß gebadet.
»Der Palacio de Viana war noch bis 1980 der St-tammsitz der Marquis von Viana«, erwiderte er. »Er ist fünfhundert Jahre alt und berühmt für seine v-vierzehn blumengeschmückten Innenhöfe. Und natürlich für seine B-bibliothek. Außerdem enthält er ungezählte Kunstwerke: G-gemälde, alte Möbel, Schmuck, Porzellan und vieles mehr.«
Ohne den Schritt zu verlangsamen, bog er nach links ab. »Wir sind gleich da«, verkündete er und deutete nach vorn. Ich konnte nicht viel erkennen.
»Die Paläste der Adligen in Córdoba sind von außen s-sehr schlicht gehalten«, sagte er, als habe er meine Gedanken gelesen. »Den Prunk findet man
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