02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
lange unser Glück wohl noch dauern würde.
Seit unserer Flucht hatte es keinen Tag gegeben, an dem ich nicht an Moody und den Schaden denken mußte, den er uns zufügen konnte, wenn er wollte. "Wann würde er kommen? Wie würde er vorgehen? Welche Waffe würde er gegen mich einsetzen? Und wie würde er versuchen, Mahtab aus ihrem geordneten Leben zu reißen?
Ich stellte mir alles mögliche vor, nur nicht, daß Moody auftauchen würde, während meine Tochter und ich auf der anderen Seite des Globus waren, oder daß er nicht meine Person, sondern mein Innerstes treffen wollte.
Am 17. Juli 1991 starteten Mahtab und ich zu einer Reise, bei der meine Tochter zum erstenmal die Datumsgrenze überschreiten sollte. Um für den Film Nicht ohne meine Tochter Werbung zu machen, reisten wir auf die andere Seite des Globus - nach Perth an der fernen Westküste Australiens. Als wir spät abends in unserem Hotel eintrafen, war ich überrascht, eine Nachricht von Mitra und Jalal vorzufinden, zwei entfernten Verwandten Moodys, die wir im Iran kennengelernt hatten und die inzwischen nach Australien ausgewandert waren.
Ich hatte die beiden ein paar Wochen vor unserer Flucht zum letztenmal gesehen. Sie selbst hatten einige Monate zuvor versucht, unsere Flucht zu organisieren. Jalal hatte einen Bäcker in einem nahe gelegenen Brotladen überredet, mit mir eine Scheinehe einzugehen; wenn ich den Mann »gehei-361
ratet« hatte, sollten Mahtab und ich das Land mit Hilfe seines Passes verlassen. Der Plan klang vielversprechend, aber in der Schweizer Botschaft hatte man mir davon abgeraten. Wenn die iranischen Behörden mich erwischten, konnte ich wegen Bigamie hingerichtet werden.
Mitra hatte mich mehrmals zur Schweizer Botschaft begleitet, wo ich Briefe von meiner Familie abholte, immer in der Hoffnung, daß eines Tages ein Wunder geschehen würde.
Obwohl Jalal und Mitra die beiden freundlichsten und hilfreichsten Menschen waren, die ich im Iran kennengelernt hatte, zögerte ich zunächst wegen ihrer Verwandtschaft mit Moody, ehe ich sie an unserem ersten Morgen in Perth anrief. Als ich jedoch Mitras herzliche Stimme hörte, vergaß ich meine Bedenken. Sie hätten sich vor acht Monaten hier niedergelassen, erzählte sie. Jalal hatte Arbeit als Wissenschaftler gefunden, Mitra studierte Informatik. »Wir können euch jederzeit treffen«, sagte sie, »egal, wo.« Wir verabredeten uns für 20 Uhr am selben Abend.
Während der Interviews tagsüber mußte ich unablässig an den Iran denken. Im Gegensatz zu Moodys Familie waren Mitras Verwandte eher liberal eingestellt. Das ging so weit, daß sie sich Videokassetten von verbotenen westlichen Filmen anschauten. Mahtab und ich hatten bei ihnen E. T. gesehen. Oft saßen wir auch bei ihnen in der Küche und sprachen leise über unsere Hoffnungen auf eine Flucht.
Jalal war ein Bruder von Essey, die mit Moodys Neffen Reza verheiratet war. Seine Verwandten waren religiöser als die Mitras, aber auch sie hatten Verständnis für Mahtab und mich. Sitte und Anstand hinderten sie zwar daran, sich in Moodys Angelegenheiten einzumischen, aber sie bewiesen uns ihre Zuneigung, indem sie uns zu sich nach Hause einluden. Frau Alemohammed, Jalals Mutter, kochte immer 362
meine Lieblingsgerichte, zum Beispiel Fisch mit Tamarinde. Mitra und Jalal nahmen uns oft in ihre Wohnung mit und spielten uns amerikanische Musik vor, so daß wir Heimweh bekamen.
Als Mitra und Jalal an diesem Abend in unserem Hotel in Perth eintrafen, empfing ich sie unten im Foyer.
Mahtab blieb währenddessen in unserem Zimmer. Nach all den Jahren war meine Vorsicht zum Reflex geworden. Ich wollte unbedingt sichergehen, daß sie allein waren. Bei unserem Wiedersehen war es wie in alten Zeiten - außer daß Mitra und ich keinen Tschador mehr trugen. Wir umarmten uns. Mitra sah mit ihrem Make-up und den frisierten Haaren wundervoll aus. Auch Jalal umarmte und küßte mich. Sie stellten mir ihre Tochter Ida vor, ein ruhiges, hübsches kleines Mädchen, das ich zum letztenmal gesehen hatte, als es etwas über ein Jahr alt war.
Auf dem Weg in unser Zimmer drückte mein australischer Agent mir einen Briefumschlag in die Hand. Der Umschlag enthielt ein Fax der Illustrierten Quick. Noch völlig verwirrt über das Wiedersehen, legte ich es beiseite, um es später zu lesen.
Mitra konnte immer noch kaum glauben, daß wir frei waren. »Im Iran haben wir zwar über eine Flucht gesprochen, aber nun hast du es tatsächlich getan, und das ist
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