02 - Aus Liebe zu meiner Tochter
Nicht ohne meine Tochter in Fortsetzungen im Ladies Home Journal gelesen. Florence habe bezweifelt, daß alles der Wahrheit entspreche, aber Ellen hatte das Buch »Wort für Wort gelesen« und versicherte: »Das Buch enthält die reine Wahrheit, und ich kann alles bestätigen, weil ich die ganze Zeit mit Betty zusammen war. An einige dieser Treffen kann ich mich noch lebhaft erinnern.«
Dann sagte Ellen, Hormoz und sie hätten damals geglaubt, ich sei zufriedener geworden und hätte mich im Iran eingelebt. Sie brachte ihre Enttäuschung darüber zum Aus-341
Klavierunterricht, aber nur, weil ich ihr keine Wahl lasse. Sie zieht die Kleider an, die Kinder ihres Alters am liebsten tragen, Sweatshirt und Jeans - etwas ganz anderes als die Rüschenkleider und die dazu passenden Schuhe, auf denen Moody bestand, bevor wir in den Iran reisten.
Mahtab wirkt für ihr Alter reif und überlegt und hat einen drolligen Humor. Aufgrund ihrer Erlebnisse bekundet sie ein ungewöhnlich starkes Interesse an internationaler Politik.
Eines Tages kam sie aus der Schule und sagte: »Mom, ich war heute im Unterricht ganz durcheinander. Die Lehrerin sprach über Mohammed, und ich dachte, sie rede vom Islam. Aber die anderen Kinder dachten ans Boxen. Ich fragte die Lehrerin, und sie sprach tatsächlich vom Islam.« Ich erklärte ihr, ihre Klassenkameraden hätten an den Boxer Muhammad Ali gedacht; Mahtab besaß ein ganz anderes Bezugssystem.
Da Mahtab schon weit herumgekommen ist, kennt sie sich in Geographie besser aus als die meisten. Als sie noch ein Baby war, hatten Moody und ich angefangen, Puppen aus den Ländern zu sammeln, die sie besucht hatte.
Ihre Sammlung ist bereits so groß, daß sie das Fassungsvermögen ihres Zimmers zu sprengen droht.
Mahtab erinnert sich gern an ihre Reisen, aber sie freut sich stets auf ihr Zuhause. Einmal preßte sie nach einer langen Reise die Hände an die Wangen, lockerte die Gesichtsmuskeln und meinte: »Gut, daß ich jetzt nicht mehr lächeln muß.«
Sie setzt klare Prioritäten, und sie weiß, was im Leben zählt. Da ihre Gebete in einer schlimmen Situation erhört worden sind, ist sie sehr religiös.
Mahtab hat einen ausgeprägten ethischen Sinn, und sie laßt sich nicht leicht zu etwas verleiten, das sie für falsch hält. Sie ist eine hervorragende und motivierte Schülerin,
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aber eines haben die Lehrer an ihr auszusetzen: Sie hält sich buchstabengetreu an alle Vorschriften. Ich weiß, was die Lehrer meinen. Am Ende unserer anstrengenden Lesereise durch Europa gaben Mahtab und ich in England einer australischen Zeitschrift ein Interview. Nachdem wir bereits im Hotel fotografiert worden waren, sollten auch draußen Aufnahmen gemacht werden. Deshalb gingen wir zu einem Museum in der Nähe.
»Stellen Sie sich dort drüben auf den Rasen«, wies der Fotograf uns an. Ich kam seinem Wunsch nach und gab Mahtab ein Zeichen, mir zu folgen. Aber sie rührte sich nicht. Ich ging zu ihr zurück und bat sie, mit mir zu kommen, aber sie weigerte sich - ein seltsames Benehmen, da Mahtab sonst recht folgsam ist. »Komm schon«, sagte ich ein wenig gereizt, »beeil dich, damit wir es hinter uns bringen.«
»Nein«, erwiderte sie, »auf dem Schild hier steht: Betreten des Rasens verbotene« Trotz der Bitten von drei frustrierten Erwachsenen ließ sie sich nicht erweichen. Mah-tabs Sturheit erinnerte mich an Moody, dessen strenge Selbstdisziplin eindeutig auf sie abgefärbt hat. Noch bis vor kurzem achtete Mahtab wie ihr Vater peinlich genau darauf, daß sie ihre Socken nicht verkehrt herum auszog. Eines Tages fragte sie mich: »Komme ich wirklich in die Hölle, wenn ich meine Socken verkehrt herum ausziehe?« Verblüfft fragte ich: »Wieso denn das?« - »Weil Daddy gesagt hat, wenn ich meine Kleider verkehrt herum ausziehe, komme ich in die Hölle.« Ich fühlte mich verpflichtet, ihr diesen Aberglauben auszureden, obwohl ich jetzt jedesmal beim Wäschewaschen überlege, ob das richtig war.
Die meisten Tage zu Hause folgen einer schönen Regelmäßigkeit. Wir kochen zusammen, und ich helfe Mahtab bei den Hausaufgaben. Es kommt allerdings auch vor, daß diese Normalität unsanft gestört wird. Mahtab und ich ha-355
ben schlimme Erinnerungen an unser Leben in einem Kriegsgebiet. Wenn es gewittert, klingt das wie der Lärm einschlagender irakischer Bomben, und wir haben beide Angst.
Leider kann Mahtab nur mit mir offen über Moody und den Iran sprechen. In Gegenwart meiner Familie ist sie nicht so
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