02 - Beiss mich, wenn du kannst
großzuziehen. Das Mindeste, was Sie für sie nun tun könnten, wäre doch wohl, ihr fünf Minuten von Ihrer kostbaren Zeit zu schenken."
Jacqueline Marchette wurde nicht umsonst die Königin der Schuldgefühle genannt.
Ich beendete meinen Anruf bei Evie und wandte mich dem Stift und dem Papier vor mir zu, um mir einen Verschönerungsplan für Lloyd zu überlegen.
Ich war noch nicht dazu gekommen, mehr zu tun, als meine Mission mit ein paar Worten zu skizzieren, als ich Tys Blick auf mir spürte.
Ich sah auf und traf auf seinen neonblauen Blick. „Was denn?" „Ich bin damit fertig, die Verdächtigen auf deiner Liste zu überprüfen." „Und?"
„Und abgesehen von einem halben Dutzend Einkaufskonkurrentinnen, die dich gerne geteert und gefedert vom Empire State Building hängen sehen würden, habe ich absolut nichts gefunden."
„Ein halbes Dutzend klingt aber nicht nach absolut nichts."
„Sie haben alle solide Alibis, Süße. Was bedeutet, dass wir wieder ganz am Anfang stehen. Wir brauchen jemanden mit einem richtigen Motiv." Er stand auf und ging zum Fenster. „Wer auch immer dafür verantwortlich ist, er hat es so richtig auf dich abgesehen. Hier geht es um tiefen Hass. Dazu kommt noch, dass er dich offensichtlich gut genug kennt, um zu wissen, wie er dich wirklich treffen kann." Sein Blick wanderte zu mir zurück. „Wie er dich verletzen kann." Ein Licht ließ seine Augen hellblau aufleuchten. „Du musst nachdenken, Lil. Ich brauche noch jemanden anders. Sonst .. "
Sonst würde ich aus diesem Schlamassel nicht herauskommen.
Ich wäre für den Rest meines Lebens auf der Flucht. Viola und die NASA könnte ich ruhigen Gewissens vergessen. Ich würde sie nicht mehr brauchen, weil ich nämlich keine Partnervermittlung mehr hätte. Ich wäre eine Flüchtige.
Ich schluckte, als mir die niederschmetternde Wahrheit ins Bewusstsein sickerte. Mein Blick fiel auf den Entwurf, den ich gerade angefangen hatte.
Und ich las den ersten Satz: Lloyd so attraktiv wie möglich für den Werwolf mit der Alpha-Ron-Macke machen.
Mein Blick blieb beim Wort Werwolf hängen.
„Es muss jemanden geben."
Oder etwas.
„Der eifersüchtige Werwolf", sprudelte es aus mir heraus. In Gedanken ging ich zum Abend der jährlichen Mitternachts-Soiree zurück, die der Huntress Club meiner Mutter veranstaltete. „Erinnerst du dich noch an den Abend, als ich der restlichen Vampir-Gesellschaft den neuen Francis vorgestellt habe?
Das war auch der Abend, als mein kleines Experiment mit Wilson und Nina lief, um zu sehen, ob die beiden sich gern haben würden. Ich hatte nämlich jedem von ihnen einen neuen Partner für den Ball vermittelt, um den anderen eifersüchtig zu machen. Und das hat funktioniert. Nicht, dass das jetzt eine Rolle spielt. Der springende Punkt ist vielmehr, dass ich mit diesem Experiment auch noch jemand anders eifersüchtig gemacht habe: Ayalas Ex-Liebhaber. Er tauchte auf und war dazu bereit, Wilson umzubringen. Und dann wurde ich gepfählt." Das würde die DNA-Spuren erklären. Ich hatte alles vollgeblutet.
Schließlich konnte ich nicht einfach tatenlos danebenstehen, wenn ein durchgeknallter Werwolf den Zukünftigen meiner besten Freundin aufspießte. Ich hatte selbstverständlich eingegriffen und den Pfahl selber abbekommen, in die Schulter.
„Meine Brüder haben ihn umgelegt", erzählte ich Ty. „Nachdem ich in Ohnmacht gefallen war, haben sie ihn angegriffen und weggeschleppt."
„Was bedeutet, dass er nicht derjenige sein kann, der hinter dir her ist."
„Nein, aber seine Familie vielleicht. Ich weiß, wenn mir etwas passieren würde, wäre meine Familie echt stinksauer." Auf der anderen Seite - bei meiner Familie stand ich im Augenblick auch nicht allzu hoch im Kurs. „Vielleicht sind sie wütend genug, um mich bestrafen zu wollen." „Hatte er denn Familie?"
„Ich bin ganz sicher. Jeder hat doch Familie." Abgesehen von gewandelten Vampiren.
Ich sah den seltsamen Ausdruck, der sein Gesicht kurz streifte, und verspürte den Drang, ihn zu berühren. Zum Glück war der Ausdruck genauso schnell verschwunden, wie er gekommen war, und ich blieb auf der Couch sitzen.
Er schien nachzudenken. „Es wäre möglich."
„Es ist mehr als nur möglich. Das ist es. Das muss es sein." Ich lächelte. „Es ist seine Familie. Sie haben was gegen mich. Das erklärt alles."
„Vielleicht", war aber das Einzige, was er auf dem Weg zurück zu seinem Laptop sagte.
„Ein bisschen Enthusiasmus könnte nicht schaden,
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