02 - Das Weltenschiff
der Eisangriff kurz nachgelassen hatte, als der Außerirdische das Seil durch die Luft gewirbelt hatte. »Du meinst, es hatte Angst vor deinem Seil?«
»Seil«, wiederholte Ik, wobei er leicht den Kopf bewegte. »Nicht … richtige Angst, sondern …« Grollend murmelte er etwas, das die Steine wieder nicht übersetzten konnten. Dann waren seine Worte wieder verständlich: »Anscheinend ist es zu einer Art von …«, schnarr, »Kontaminierung gekommen, von der alles betroffen ist.« Geräuschvoll schloss Ik den Mund und neigte den Kopf; offenbar wollte er das Gesagte nicht weiter ausführen.
Bandicuts Gedanken drehten sich sinnlos im Kreis, als er darüber nachsann, wie weit er gekommen war, in so kurzer Zeit – zumindest für ihn –, und wie wenig er darüber wusste, wie es nun für ihn weitergehen sollte. Seine Begegnung mit Ik war das erste viel versprechende Ereignis, seit er hier eingetroffen war. Vielleicht konnte Ik ihm dabei helfen, diese neue Welt hier ein wenig zu verstehen.
Ik legte noch ein Stück Feuerholz in die Flammen und murmelte etwas, das Bandicut nicht ganz verstand. Dann nahm er wieder eine Haltung an, die an den Lotussitz erinnerte, und starrte düster ins Feuer. Nur ungern wollte Bandicut ihn stören, doch schließlich gewann sein Verlangen, die Lage zu begreifen, die Oberhand.
»Ik?«
Der Außerirdische hob den Blick.
»Lebst du … ist das hier der Ort … an dem du lebst? Wo kommst du her?« Bandicut deutete mit einer Armbewegung auf die offene Wiese. »Ist das dein … Zuhause? Diese Welt?« Als er das Wort Welt aussprach, wurde ihm bewusst, dass er damit weniger die hiesige Umgebung meinte, als vielmehr das große Objekt, dass ihn samt Schiff verschluckt hatte und wahrscheinlich noch immer in sich festhielt.
Der Außerirdische gab einen klickenden Laut von sich. »Nein«, antwortete er. Dann, einen Moment später, stellte er die Gegenfrage: »Ist das …«, er vollzog eine ähnliche Geste, »… dein Zuhause?«
Bandicut schüttelte den Kopf und lachte bitter. »Wohl kaum. Nein, ich komme von sehr weit her.«
»Tatsächlich«, erwiderte Ik. »Von s-sehr weit her.« Mit einem klackenden Laut schloss er den Mund. Dann blickte er auf, streckte den Arm aus und deutete mit einer ausholenden Geste auf den Himmel. Bandicut folgte der Geste mit seinem Blick, dann sog er verblüfft den Atem ein: Zum ersten Mal erkannte er, dass er unter einem prächtigen Sternenhimmel saß. Sterne! Zutiefst verwundert fragte er sich, ob Ik ihm zu verstehen geben wollte, dass er ebenfalls von den Sternen kam.
Aber Ik erklärte sich nicht weiter. »Jetzt«, sagte er, »muss ausruhen.« Er gab einen Laut von sich, der einem Seufzen glich, und starrte regungslos ins Feuer.
Bandicut blinzelte Ik an, dann schaute er wieder zu den Sternen hoch. Die Sternenkonstellation kam ihm nicht vertraut vor. Erneut kehrte das schmerzliche Einsamkeitsgefühl zurück. Doch wurde ihm noch etwas anderes bewusst: Von der ausladenden Spiralgalaxie, die er vor dem Betreten dieser Welt gesehen hatte, war nichts zu sehen. Wie konnte das sein?
Er schüttelte den Kopf, streckte sich schließlich auf dem Boden aus und versuchte, möglichst nah am Feuer eine bequeme Lage einzunehmen. Als er über die Flammen hinweg zu Ik spähte, sah er, dass der Außerirdische die Augen geschlossen hatte; sein Gesicht wirkte dadurch, als wäre es aus Stein. »Gute Nacht, Ik«, murmelte er. »Und danke noch mal.«
Der Außerirdische gab ihm keine Antwort.
Bandicut rollte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte in den Himmel hinauf, wenn es denn wirklich ein Himmel war, und versank in Wachträume; er erinnerte sich daran, wie er in diese Welt gelangt war. Schließlich schlief er ein, doch kurz vorher fielen ihm noch die verwirrenden Worte ein, die die Translatorsteine zu ihm gesagt hatten: »… weil du gebraucht wirst.«
5 Fragen und Quarx
Seine Träume waren Eruptionen von Fraktalbildern, die, kaum entstanden, schon wieder miteinander verschmolzen: Blütenblätter, die sich in endloser Folge entfalteten, sich in einer Landschaft aus entstellten Spiralen ausbreiteten. Die Spiralen verblassten dann, und statt ihrer erschienen chaotische Attraktoren: seidig-milchige Flechtwerke aus einander überlappenden Libellenflügeln und zarte Wolken farbiger Gase, die sich zu rotierenden Feuerkugeln zusammenzogen; es waren unbekannte Geheimnisse, aus den Tiefen der Erinnerung und des Seins …
Und flüsternde
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