02 - Das Weltenschiff
Virus, die beiden kann man nicht mehr voneinander unterscheiden, weißt du – ist plötzlich nicht mehr damit einverstanden, wie sein Clan den Nachwuchs schult. Oder er hat etwas gegen die Meeresströmungen einzuwenden, denen sie folgen. Er erkennt, dass er seine Artgenossen, wenn er sie nur lang genug seinem Einfluss aussetzt, dazu bewegen könnte, eine der lebenden Barrieren anzugreifen und zu zerstören, die die Ozeanströmungen leiten.«
»Ein Riff? Sie wollen ein Riff zerstören?«
»Ja. Wenn sie das Riff zerstören, öffnen sie einen neuen Kanal, und das bisherige Strömungsmuster verändert sich, wird fortgejagt.«
Bandicut sann über die Worte nach. »Und was geschieht mit dem Clan?«
Li-Jareds Augen glitzerten. »Der Clan schließt sich Joe an oder wird ebenfalls fortgejagt.«
Bandicut ächzte. »Und wer ist der Boojum? Joe oder das Virus?«
»Das weiß ich nicht genau«, gestand der Karellianer ein. »Ich kenne beide Varianten der Geschichte. Was zählt, abgesehen von der unmittelbaren Gefahr, ist Folgendes: Das Virus kam durch die turbulenten Bewegungen der See in Joes Umgebung. Die See ist voller Viren, und die meisten von ihnen werden niemals einen Wirt finden oder solches Leid verursachen wie das erste Virus. Aber das Meer ist …«, brä-häng, »… chaotisch, und in chaotischen Systemen kommt es immer wieder zu unerwarteten Veränderungen.«
Bandicut lief es kalt den Rücken herunter. Das Ganze klang allmählich sehr wie Gerede von Charlie-Eins über dynamisches Chaos in Sonnensystemen. Leicht mitzukriegen, wohin es mich geführt hat, auf solches Geschwätz zu hören, überlegte er.
»Immer und immer wieder tragen die Turbulenzen ein Virus zu einem Wirt – vielleicht nur mit einer Chance von eins zu einer Million, aber das reicht –, und dann wird das Virus aktiv; manchmal scheint es für eine Weile verschwunden, aber dann kommt es wieder hervor, verbreitet sich …« Li-Jared wedelte mit den glänzenden schwarzen Fingern durch die Luft.
»Und genau so verhält sich der Boojum?«, wollte Bandicut es genauer wissen.
Li-Jareds schwarze Fingerspitze stach ins Licht. Ein Ja-
»Ist er lebendig? Der Boojum?« Flüchtig sah er zu Napoleon, der die ganze Zeit über regungslos dasaß. Hatte der Boojum den Roboter angegriffen? Vielleicht nicht. War Napoleon lebendig? Vielleicht. Und was war mit Copernicus?
Ruckartig hob Li-Jared die Hände, eine Geste der Hilflosigkeit. »Ich weiß es nicht.«
Bandicut stieß frustriert den Atem aus. »Das begreife ich nicht ganz. Warum unternehmen denn die Leute, die für das Kontrollsystem zuständig sind nichts, um …«
»Baum aus Eis«, korrigierte Li-Jared ihn.
»Also schön, für den Baum aus Eis. Warum greifen die Leute vom Baum aus Eis nicht ein und entfernen diesen verdammten Boojum? Er ist nur eine Kontamination, stimmt’s? So nennt ihn doch jeder?«
Wieder hob Li-Jared die schwarzen Hände.
»Wissen sie von ihm?«, fuhr Bandicut mit seinen Fragen fort. »Liegt ihnen etwas an Schiffwelt? Es muss sie doch interessieren!« Bandicut winkte ab. »Jedenfalls liegt jemandem so viel an Schiffwelt, dass er sie in Gang hält. Was ist mit dem großen Atrium? Was ist mit den Schattenleuten und der Wartung? Hier gibt es Zivilisation! Einer muss hier doch das Sagen haben!«
Li-Jared kratzte sich an der Kopfseite. »Das ist eine schwere Frage. Ja, es gibt hier Organisationsstrukturen, die sowohl die verschiedenen Umwelten als auch die unterschiedlichen Gesellschaften aufrecht erhalten. Aber es gibt so viele davon – und alle unterscheiden sich wirklich sehr voneinander!« Seine Stimme vibrierte wie eine schwingende Banjoseite. »Atrium City, wo wir jetzt sind, hat eine komplexe Gesellschaftsstruktur. Ich bin schon einmal hier gewesen. Mir liegt nicht viel an der Stadt, aber sie ist eine nützliche Mischzone, ein Schmelztiegel – hier kann man gut Informationen sammeln.«
Oh, auf der Suche nach Informationen bin ich auch, sinnierte Bandicut träge. Er rieb sich mit den Daumen über die Augenlider. »Gibt es denn keinen, der das Kommando über Schiffwelt hat? Wer kontrolliert überhaupt diesen Baum aus Eis?«
Blinzelnd schloss der Karellianer kurz die Augen, dann flammten sie wieder auf. »Das, mein lieber Reisegefährte, ist eines der Dinge, die Ik und ich herausfinden wollen.«
Bandicut starrte ihn noch einen Moment lang an, dann nahm er einen tiefen Zug von seinem Bier.
Schweigend saßen sie eine Weile da. Bandicut ertappte sich dabei, wie er in die
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