02 - Der 'Mann in Weiß'
über die Show. Fernando war längst vergessen. Als sich der Kandidat in der Show bis auf die Unterhose entkleiden musste, damit ihn mögliche Heiratskandidatinnen begutachten konnten, stand plötzlich der Mann neben dem Fernseher.
Ein Gringo. Ganz in Weiß!
Pedro begann zu zittern. Eiskalt lief es ihm über den Rücken. Der Mann war direkt aus der Wand gekommen!
Ein Geist…
Pedro kniff ein paarmal die Augen zusammen. Er hatte sicher zu viel Bier intus und sah nun statt weißer Mäuse weiße Männer. Aber die Erscheinung blieb nicht nur, sie trat sogar zwei Schritte näher.
Pedro begann lautstark mit den Zähnen zu klappern. Die Angst, die er plötzlich empfand, war fast nicht auszuhalten. Sein Rauschzustand war mit einem Schlag verflogen. Er spürte, dass das vor ihm keine Halluzination war.
»Du versuchst Fernando Gaitan aufzuhalten, obwohl er Ericson ans Ziel bringen kann«, sagte der Mann in Weiß emotionslos. »Damit arbeitest du gegen uns und hast dein Leben verwirkt. Jede Verzögerung gefährdet die neue Ordnung.«
Pedro Sepulveda glaubte zu sehen, wie der Mann in Weiß sich konzentrierte. Plötzlich hob sich Pedros rechte Hand, ohne dass er ihr den Befehl dazu gegeben hätte. Fassungslos starrte er sie an, versuchte wieder Einfluss zu gewinnen, sie nach unten zu drücken. Vergeblich. Es war, als ob sie plötzlich ein Eigenleben entwickelt hätte.
»Nein, bitte…«, ächzte der alte Mann mit weit aufgerissenen Augen. Mit der Linken, die ihm problemlos gehorchte, versuchte er seine Rechte herunterzudrücken. Es war, als würde er Armdrücken gegen sich selbst machen ‒ und dabei verlieren.
Immer weiter hob sich die rechte Hand, strebte auf seinen Hals zu. Pedro glaubte sich in einem schlimmen Albtraum gefangen. So etwas gab es doch in der Wirklichkeit gar nicht!
Die Finger der Rechten öffneten sich ganz kurz wie im Krampf, so, als wolle sie der »Bediener« vor dem Einsatz noch einmal kurz testen. Dann schlossen sie sich mit brachialer Gewalt um Pedros Hals und begannen sofort zuzudrücken!
Pedro röchelte. Er saß nun stocksteif und versuchte verzweifelt, mit der Linken die Finger von seinem Hals zu zerren. Seine Augen traten weit aus den Höhlen, allmählich wurde ihm die Luft knapp. Der Unglückliche wand sich und zuckte, riss den Mund weit auf ‒ und sank schließlich zusammen.
Der Mann in Weiß verschwand, ohne sich weiter um den Toten zu kümmern.
***
El Cadral
Nach dem Frühstück fuhr Tom noch einmal zu der alten Maya-Grabstätte bei El Cadral. Irgendetwas musste er tun; er wollte nicht einfach dasitzen und warten, bis sich dieser Fernando entschieden hatte. Möglicherweise hatte er im Grab etwas übersehen. Manche Dinge offenbarten sich erst beim zweiten Hinsehen, diese Erfahrung hatte Tom schon öfters gemacht. Und auch nach dem Gespräch mit Fernando sah er manche Dinge nun vielleicht anders.
Tom arbeitete sich durch den Urwald zu der Ruine vor. Still und verlassen lag sie da, nur die üblichen Urwaldgeräusche erklangen um ihn her. Es war ihm ein Leichtes, erneut in das verfallene Bauwerk zu kommen und in Richtung der Grabkammer vorzudringen. Das Skelett des Toten lag da, wie er es verlassen hatte. Er untersuchte es erneut, dieses Mal genauer. Es sagte ihm allerdings nicht mehr als beim ersten Mal. Seine Annahme, die Schnitte könnten vielleicht eine Maya-Hieroglyphe ergeben, konnte er nicht bestätigen.
Seufzend betrat er die Grabkammer und ließ die Taschenlampe wandern. Vielleicht musste er sich ja mit der an den Wänden dargestellten Geschichte beschäftigen, wenn er weiterkommen wollte. Dazu hatte er etwa achtzig Blätter mitgebracht, die er in einem Copyshop ausgedruckt hatte. Sie enthielten den Download aller bisher bekannten Maya-Zeichen.
Tom legte den Packen und einen Stift auf den Boden. Er schnupperte. Seltsam, irgendetwas roch heute anders als gestern. Nach… frischem Schweiß?
Hinter ihm knackte es. Tom erstarrte und hob automatisch die Hände. Das Spannen eines Revolverhahns war ein unverwechselbares Geräusch.
»Umdrehen!«, befahl eine Stimme, die er kannte. Es lief ihm kalt über den Rücken.
»Fernando«, sagte Tom verblüfft, obwohl er sein Gegenüber nicht sehen konnte, da er in den Lichtkegel einer plötzlich aufflammenden Taschenlampe starrte.
»Tom Ericson«, gab Fernando zurück, und der Archäologe glaubte Wut in dessen Stimme zu hören. »Werfen Sie die Lampe weg und halten Sie die Hände oben. Dann setzen Sie sich auf den Boden.«
Tom tat wie
Weitere Kostenlose Bücher