02 - Der 'Mann in Weiß'
ihm geheißen.
»Sie haben mich angelogen«, zischte Fernando. »Sie kennen das Feuergott-Zeichen von hier, nicht aus Bransons Ruine! Woher wissen Sie von diesem Platz? Außer mir und meinem Bruder, dessen Geist bei den Göttern ist, kann niemand davon wissen. Pedro hat mich gewarnt, Ihnen nicht zu vertrauen. Ich glaube, ich hätte besser auf ihn hören sollen. Aber noch ist es nicht zu spät.«
»Sie täuschen sich, Fernando. Sie können mir wirklich vertrauen…« Tom nahm die Hände ein wenig herunter.
»Hände oben lassen!«
»Hören Sie, Fernando, ich bin genauso überrascht, Sie hier anzutreffen. Ich bin Ihnen aber nicht gefolgt, wenn Sie das vermuten. Ich kann Ihnen erklären, wie ich auf diesen Ort gestoßen bin.«
»Das muss aber eine verdammt gute Erklärung sein, Gringo. Und wenn sie nicht plausibel ist, dann wird dieses Grab hier Ihr Grab sein.«
Tom berichtete von dem Stelenfund auf Hiva Oa und der dazugehörigen Landkarte aus Bransons Ruine und belegt seine Geschichte mit Fotos auf dem Satellitentelefon. »Als ich die beiden Fundstücke kombiniert hatte, wiesen sie genau auf diesen Ort hin. Nur so konnte ich die Ruine überhaupt finden. Dass auch hier das Zeichen des Feuergottes auftauchte, war nur logisch. Es beweist, dass die Fundorte miteinander verknüpft sind.«
Fernando kicherte leise. »Wissen Sie was? Das Ganze hört sich vollkommen bescheuert an.«
Tom spannte sich an, machte sich bereit, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
»So bescheuert, dass Sie es nicht erfunden haben können«, fuhr Fernando fort. »Das Leben ist verrückt genug für solche Zufälle. Ich glaube Ihnen also.«
Tom atmete auf. »Danke.«
»Sie sind noch nicht aus dem Schneider!«, warnte Fernando. »Keine Dummheiten! Mein Revolver zeigt direkt auf Ihren Kopf.«
Tom ging nicht darauf ein. »Wollen Sie mir nun erzählen, woher Sie die Grabkammer kennen? Und wer die Leiche da draußen ist?«
Fernando zögerte einen Moment. Dann begann er zu erzählen, erst stockend, dann zunehmend flüssiger. Als wollte er sich einen Ballast von der Seele reden, den er schon viel zu lange mit sich herumtrug. Tom erfuhr die Geschichte Béjar Gaitans und von der Grabräuberbande ‒ so weit Fernando Gaitan im Bilde war.
Der Archäologe nickte. Fernando hatte den Revolver längst sinken lassen, aber Tom wollte es nicht ausnutzen. »Ihr Bruder Béjar hat also im Jahr 1985 das Grab hier aufgestöbert und auf eigene Rechnung ausgeräumt«, fasste er zusammen. »Darunter muss er auch das Artefakt gewesen sein, auf das die zweigeteilte Schatzkarte hinweist. Haben Sie einen Verdacht, um was es sich dabei gehandelt hat?«
Fernando schüttelte den Kopf. »Darüber hat Béjar nie gesprochen. Ich glaube, er hatte eine heilige Angst davor, denn wann immer ich ihn danach fragte, hat er sich bekreuzigt ‒ und geschwiegen. So wie auch Cordova.«
Tom merkte auf. »Cordova? Was hat er damit zu tun?« Im nächsten Moment fiel der Groschen, aber da kam auch schon Fernandos Antwort.
»Cordova hat dieses geheimnisvolle Ding an einen spanischen Kunstsammler vermittelt. An wen, weiß ich nicht.«
»Und wie haben die das Artefakt außer Landes bekommen? Nicht nur, dass es streng verboten ist, Antiquitäten auszuführen ‒ das Artefakt an sich muss doch schon große Aufmerksamkeit erregt haben.«
»So viel ich weiß, hatte der Spanier Diplomatenstatus.«
Tom nickte. Das war eine Lösung. Diplomatengepäck wurde nicht durchsucht, und meist benutzten diese Leute auch kleine Privatmaschinen anstatt der Linienflüge. So war es kein Problem, Kunstschätze außer Landes zu schaffen.
»Und die anderen Schätze aus dem Grab hat ihr Bruder hier unter die Leute gebracht?«
Fernando nickte und blickte zu Boden. »Das war unser Verhängnis. Plötzlich tauchte diese Indio-Bande auf und fragte nach Statuetten des Feuergottes, die mit in dem Grab gewesen waren. Sie wussten wohl, dass sie in direktem Zusammenhang mit dem Hauptfund standen.«
»Aber sie wussten nicht, dass Ihr Bruder allein dahintersteckte, und nahmen sich die Bande der Grabräuber vor«, führte Tom den Gedanken weiter.
Fernando nickte wieder. »Sie haben Garciamendez und seine Leute allesamt abgeschlachtet. Béjar gab sich die Schuld daran; das hat er nicht verkraftet. Sein Verstand ging zu den Göttern.«
»Er wurde verrückt?«, fragte Tom nach.
»Ja. Der Tote vorn am Eingang…« Fernando stockte kurz. »Es ist Andrés Gandarilla, Béjars bester Freund. Er hat die Leiche
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