02 - Die Gefangene des Wikingers
versuchte sich von Mergwins Schulter zu lösen, konnte es aber nicht. Sie schluckte krampfhaft. »Nun, Sir, ihr bereitet mir viel Kummer, aber nicht genug, dass ich gegen Gottes Regeln verstoßen würde!«
Er presste sein Kiefer zusammen, und sie sah an seiner Kehle eine Ader heftig pochen. »Es ist gut zu wissen, dass ich
Euch nicht ins Meer getrieben habe, Mylady.« Er verbeugte sich spöttisch. »Mein tiefstes Mitgefühl, Lady. Ich wusste nicht, dass Ihr so ein schlechter Seemann sein würdet.«
Er kehrte zu seinem Aussichtspunkt am Bug zurück. Sie hätte ihm beinahe gesagt, dass sie selbst ein hervorragender
Seemann sei, dass es aber sein Fehler wäre, denn das Kind in ihr würde sie so schrecklich krank machen. Aber sie presste die Lippen fest zusammen und sagte kein Wort. Dann blickte sie in Mergwins geheimnisvolle graue Augen, die auf ihr ruhten, aber er stellte ihr keine Fragen und verurteilte sie auch nicht. »Es ist eine schwere Zeit für ihn«, sagte er zu ihr. »Für uns alle. Ihr kennt den Ard-ri nicht.«
Mergwin hebt ebenfalls den sterbenden König, dachte sie. Aber sie erwiderte müde: »Heutzutage scheinen die Zeiten ständig schwer zu sein, oder nicht?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Es wird Sorgen geben, aber Ihr werdet dort auch fröhlich sein. Ihr werdet schon sehen. «
»So lange werde ich nicht dort sein«, meinte Rhiannon. Mergwin schien etwas sagen zu wollen, hielt dann inne und schüttelte den Kopf. Sie berührte sein Knie. »Mergwin, ich werde nicht lange dort sein. Es ist nicht - es ist nicht meine Heimat, versteht Ihr? Es ist seine, niemals meine. Ich möchte niemand verletzen, aber dort wird jeder anders sein.«
Er lehnte sich zurück, seine Augen schlossen sich, und eine Minute lang hatte sie Angst, denn er schien so ungemein alt und gebrechlich zu sein. Dann seufzte er müde. »Es wird Krieg geben«, sagte er leise. Dann schwieg er, und sie war sich nicht sicher, was er damit gemeint hatte.
Es war noch dunkel, als Rhiannon zum ersten Mal die zerklüftete irische Küste sah. Dann fuhren sie in den Fluß ein, der sie nach Dubhlain bringen würde, und Rhiannon sah die Schönheit der irischen Landschaft: grün und teilweise sehr flach, aber seltsamerweise auch vertraut, es sah fast wie bei ihr zu Hause aus. Endlose Wiesen, smaragdgrüne Hügel, weiße Schafe.
Schließlich tauchten die Mauern von Dubhlain vor ihnen auf. Rhiannon war erstaunt über die starken und herrlichen Steinmauern, die sich weiß gegen die Dunkelheit abhoben. Als die Schiffe an ihren Ankerplätzen lagen, sah sie, auch die Menschenmenge, die sie erwartete. Mergwin half ihr beim Aufstehen. Es schien, als hätte Eric sie momentan vergessen. Er war bereits an Land gegangen.
Rhiannon blieb mit hämmernden Herzen stehen, als sie sah, wie sich eine Frau aus der Menge löste. Ihr Haar war schwarz wie die Nacht, es fiel ihr bis zur Hüfte, und sie war schlank und graziös wie ein junges Reh. sie eilte vorwärts und rief Erics Namen.
Rhiannon fröstelte, schluckte krampfhaft und dachte, dass sie ihn noch nie so sehr gehasst hatte wie in diesem Augenblick. Warum hatte er sie hergebracht? Um sie Zeuge werden zu lassen für seine zärtliche Wiedervereinigung mit seiner irischen Frau? Es wurde ihr schon wieder fürchterlich übel. Die Frau begrüßte ihn sehr liebevoll und zärtlich, und selbst im Dunkeln war zu erkennen, dass sie wunderschön war. Wenn sie ihn nicht gerade umarmte, sprach sie ernsthaft auf ihn ein.
»Kommt Rhiannon«, drängte Mergwin sie.
»Ich… kann nicht!« flüsterte sie. Dann erstarrte sie, denn Eric hatte sich schließlich doch zu ihr umgedreht und kam zurück an Bord an ihre Seite. Noch ehe sie widersprechen konnte, hatte er sie am Arm ergriffen, drängte sie vorwärts und nahm sie dann auf den Arm, um sie hart am irischen Ufer abzusetzen - vor die dunkelhaarige Frau. »Rhiannon, das ist Erin von Dubhlain; Mutter, das ist Rhiannon, mein Weib.«
Die Frau mit dem ebenholzfarbenen Haar lächelte, und als sie sie so aus der Nähe sah, stellte Rhiannon fest dass sie keineswegs eine junge Frau war, obwohl sie alterslos zu sein schien. Ihre Augen glänzten smaragdgrün, ihr Lächeln war ansteckend. »Rhiannon, willkommen. Das ist eine traurige Zeit für uns, aber alles, was wir für dich tun können, werden wir tun. Wir Iren sind berühmt für unsere Gastfreundschaft, wie du vielleicht weißt. Das ist das Heim meines Sohnes, und deshalb auch das deine, und alles, was darin ist steht dir
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