02 - Die Gefangene des Wikingers
Augenblick lang hatte es den Anschein, als würde er nachgeben. Seine Lippen öffneten sich, als ob er etwas sagen wollte, seine Hände hoben sich, als ob er ihr über das Haar streichen wollte. Doch er tat es nicht. Er stieß sie weg. »Allen«, rief er abermals.
Beim zweiten Ruf kam Allen’. Rhiannon starrte weiterhin den König an. Allen berührte ihren Arm, sie schüttelte ihn ab und näherte sich abermals wütend dem König: »Ich werde es nicht tun! Du kannst mich nicht dazu zwingen! Ich werde zu den Nonnen gehen, ich werde nach Paris fliehen - ich werde zu den Dänen flüchten!«
Der letzte Satz erregte die Aufmerksamkeit des Königs. Er fuhr herum und trat auf sie zu.
»Nein, Lady, das wirst du nicht. ich werde dich hinter Schloss und Riegel halten, bis du verheiratet bist. Und wenn du weiterhin auf dieser Infamie bestehst, werde ich darum beten, dass er mehr Wikinger als Ire ist, und dass er alle notwendigen Dinge unternimmt, um dich zu zähmen! Allen!« brüllte er, »schafft sie mir aus den Augen!«
Allen packte sie hart am Arm. Sie blickte ihm ins Gesicht und sah ein gehässiges Schimmern in seinen Augen, als ob er ihr Unglück genießen würde.
»Lass mich los, Allen!« befahl sie ihm. »Ich werde Euch folgen. Aber nehmt Eure Hände von mir!«
Sein Lächeln wurde breiter, sein Blick verdunkelte sich. »Lady, an Eurer Stelle würde ich meine Zunge hüten!« warnte er sie.
»Ich werde nichts hüten!« entgegnete sie. Sie riss sich los und eilte vor ihm aus der Tür. Sekunden später hatte er sie eingeholt. Gerade als Edward sich näherte, packte ‘ er ihren Arm. »Bitte, lasst mich sie wegbringen«, bat Edward ihn flehentlich.
Sie blickte Allen rächt an; sie war zu nahe dran zu weinen. Offensichtlich hatte er zugestimmt, denn jetzt wurde sie von Edward begleitet. Sie stolperte dahin, erstaunt darüber, dass die Sonne immer noch schien, dass immer noch das Klirren der Waffen zu hören war.
Aber jetzt hielt sich niemand in der Nähe des königlichen Hauses auf.
»Es tut mir leid, Rhiannon«, sagte Edward zu ihr. »So schrecklich leid. «
»Wo bringst du mich hin?«
»Zum Brunnenhaus.«
Das war ein kleines, unmöbliertes Gebäude im Tal, das gewöhnlich zur Aufbewahrung benutzt wurde. Im Augenblick stand es leer. Ein einziges Fenster ließ Licht herein.
»Sperr mich nicht ein. Lass mich entkommen«, flehte sie Edward an.
»Du weißt ich kann das nicht«, antwortete er ihr traurig
Sie schaffte es, die Schultern zu straffen und das Häuschen zu betreten. Sie warf die Tür ihres Gefängnisses zu und sank auf den schmutzigen Boden.
Dann brach sie in Tränen aus, versuchte ihr Schluchzen so weit zu dämpfen, dass niemand, der vielleicht zu ihrer Bewachung abkommandiert war, sie hören konnte. Schweigend weinte sie, bis die Nacht hereinbrach. Kein Mensch kam. Kein Mensch brachte ihr auch nur eine n Tropfen Wasser. Die ganze, dunkle stille Nacht über saß sie in äußerstem Elend da und versteifte sich auf ihre Entscheidung.
Sie schlief, aber ihre Träume waren mit Angst erfüllt. Der irische Prinz hatte sie an seinen blonden, normannischen Knecht weitergegeben, und der Mann schlich sich heimlich an sie heran. Ihr Pfeil drang in seinen Oberschenkel und Blut strömte an seinem Bein hinab, während er sie anschrie: »Betet Lady, dass wir uns nie mehr wiedersehen!«
Am nächsten Morgen kam die Königin zu ihr. Rhiannon war bleich, erschöpft und verbittert.
Sie sagte Alswitha, dass sie den König zu sehen wünsche.
Alfred hatte sie hintergangen. Der König hatte sie dem Feind ausgeliefert, aber sie würde seine Entscheidung nicht befolgen. Irgendwie würde sie alle hinters Licht führen. Und sie würden keinen Verdacht schöpfen.
Alswitha brachte sie zu Alfred. Rhiannon kniete vor ihm nieder und flüsterte, dass sie sich seinem Willen unterwerfe.
Bei dieser Lüge konnte sie ihm nicht ins Gesicht blicken; aber eine Lüge war ihr einziger Weg in die Freiheit.
Er nahm sie wie früher in die Arme und umschlang sie zärtlich. Er flüsterte ihr ins Ohr, wie froh und dankbar er darüber wäre, dass er sie liebe und immer für sie da sei.
Ich hasse dich! schrie sie stumm.
Aber sie hasste ihn nicht wirklich. Sie erinnerte sich an ihren Vater und wusste, dass auch Alfred jederzeit in einer Schlacht sterben konnte. Auch sie umarmte ihn zärtlich; sie konnte ihm zwar nicht gehorchen, aber sie liebte ihn.
Wenn sie nicht vorgeben würde, seinen Willen zu akzeptieren, hätte sie nur eine geringe Chance,
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