02 - Die Nacht der D?monen
sicheren Tod bewahrt.
In diesen Momenten der Verwirrung zuckte die undeutliche Erinnerung an ein Treffen mit einer Hexe namens Monica durch ihre Gedanken. Die Hexe hatte angeboten, ihr die Menschlichkeit zurückzugeben, die sie mit so viel Mühe verloren hatte.
Aber warum hatte die Hexe ...
»Schläfst du immer im Freien auf Bäumen?«
Jessica schreckte hoch, setzte sich zu schnell auf und fiel fast von ihrem Ast. Sie sah sich nach der Person um, die sie angesprochen hatte. Er war Alex. Er saß auf einem anderen Ast und wirkte, als wäre er in diesem Baum zu Hause.
»Kannst du das nächste Mal vielleicht ein bisschen mit den Blättern rascheln?«, grummelte sie, obwohl sie ein Lächeln auf ihren Lippen spürte, als sie ihren seltsamen, aber willkommenen Besucher begrüßte. »Ich wäre fast vom Baum gefallen.
Wie bist du hier hoch gekommen, ohne dass ich dich gehört habe?«
»Ich bin geflogen.«
Jessica schüttelte nur den Kopf.
»Wenn es dir nicht passt, gehe ich wieder runter.«
Alex sprang von dem Ast und kam anmutig wie eine Katze auf. Jessica folgte ihm langsamer, da sie keine Lust hatte, sich den Knöchel zu brechen, nur um vor ihm anzugeben. Sie schlenderten ziellos durch den Wald, während sie sich unterhielten.
»Hast du eigentlich kein Zuhause? Oder läufst du mir einfach den ganzen Tag hinterher?« Als sie ihm die Frage beim letzten Mal gestellt hatte, war es ein Witz gewesen, aber diesmal erwartete sie wirklich eine Antwort. Es konnte beim besten Willen kein Zufall sein, dass er heute Nacht hier im Wald war.
»Ich habe kein Zuhause in dieser Welt«, sagte Alex und seine Stimme klang trotz des leisen Spotts in seinen Augen ernst, »außerdem ist es nicht Tag.«
Jessica schüttelte wieder den Kopf, als ihr klar wurde, dass sie wohl nie eine vernünftige Antwort von ihm erhielt.
Während sie über diese Tatsache nachdachte, bemerkte sie auf seinem rechten Handgelenk eine Zeichnung, die sie nur deshalb sehen konnte, weil sein Ärmel bei dem Sprung vom Baum hochgerutscht war.
»Was ist das?«, fragte sie und deutete auf die Tätowierung.
Alex rollte den Ärmel hoch, um ihr die ganze Zeichnung zu zeigen: Ein schwarzer Wolf mit goldenen Augen und weißen Fängen pirschte über sein Handgelenk. Jessica kannte das Tier; es war Fenris, der riesige Wolf, der laut der nordischen Mythologie die Sonne verschluckt hatte. Aubrey hatte dieselbe Tätowierung auf seinem Handgelenk.
Sie atmete tief ein, um nicht mit einer Bemerkung herauszuplatzen, bevor sie nicht ihre Gedanken geordnet hatte.
Das konnte einfach kein Zufall sein. Den ganzen Tag hindurch hatte sie versucht, eine andere Erklärung für all die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden zu finden als die unmögliche, dass Alex tatsächlich Aubrey war. Jetzt fiel ihr endlich ein geradezu verblüffend offensichtlicher Grund ein: Alex war ein Fan von Ash Night. Aubrey wurde in Tiger, Tiger bis ins letzte Detail beschrieben. Warum sollte jemand, wenn ihm danach war, nicht schwarze Kontaktlinsen tragen, einen passenden Anhänger kaufen und sich dieselben Tätowierungen wie Aubrey machen lassen?
Doch bevor Jessica einen Kommentar zu Alex' Tattoo abgeben konnte, fragte er sie: »Was machst du so spät nachts hier draußen?«
»Ich konnte nicht schlafen«, antwortete sie. Sie war immer noch ein wenig genervt. »Und du?«
»Vielleicht verfolge ich dich wirklich«, sagte er neckend.
»Also in dem Fall verstehe ich das als Kompliment.« Sie schlug denselben scherzhaften Ton an wie er, aber hinter den leichten Worten verbargen sich ernsthaftere Gedanken. Wenn ihre Theorie über seine Leidenschaft für den Vampir Aubrey stimmte, wie weit würde er mit seinem Rollenspiel gehen?
Als Jessica sich auf den Heimweg machte, begleitete er sie. Ihre Unterhaltung versiegte und zwischen ihnen breitete sich Schweigen aus.
»Du bist plötzlich so still«, bemerkte Jessica. Die beiden waren bis auf Sichtweite an ihr Haus herangekommen und sie war stehen geblieben, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. »Was denkst du gerade?«
Alex seufzte. »Nichts, was du gerne wissen würdest.«
»Warum erzählst du es mir nicht einfach und überlässt es mir, das zu entscheiden«, fragte sie beharrlich.
»Blut und Tod und Leute, die zu viel wissen«, antwortete er mit einer Stimme, die eher müde als bedrohlich klang. »Geh nach Hause, Ash Night. Ich werde ein andermal mit dir
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