02 - Die Nacht der D?monen
konzentrierte sie sich wieder auf Jessica, um herauszufinden, was noch zu tun war.
Zwar war Jessicas Körper fast wiederhergestellt, doch war sie immer noch viel zu sehr Mensch. Die frisch verheilten Stellen brauchten zur Unterstützung mehr Blut, als sie hatte. Fala hatte sie fast völlig leergesogen.
»Wir sollten sie in ein Krankenhaus bringen oder sie wird trotzdem sterben«, sagte Caryn mit schwankender Stimme. »Sie braucht Blut.«
Aubrey blickte einen Augenblick lang auf und in seinen schwarzen Augen, die sich zuerst auf Caryn und dann ihren Hals richteten, lag keinerlei Wärme. Sie merkte deutlich, wie viel Mühe es ihn kostete, den Blick abzuwenden.
Er war nicht mehr länger der umwerfend attraktive Unsterbliche von einst. Er war blasser als je zuvor und seine Augen starrten ins Leere. Irgendwie sah er aus, als wäre er ebenso ausgeblutet wie Jessica. Aber Blut und Energie waren bei seiner Art ja auch beinahe dasselbe.
Caryn legte sich hin, als die Müdigkeit sie erneut überkam, und sah schweigend zu, wie Aubrey versuchte, Jessica zu wecken.
31
JESSICA KONNTE WEGEN DER SCHMERZEN in ihrer Brust kaum atmen. Jeder Muskel in ihrem Körper war verkrampft und sie zitterte vor Kälte.
Jessica! Sie erkannte Aubreys Stimme in ihrem Kopf, obwohl sie ihn noch nie so verzweifelt erlebt hatte.
Langsam kämpfte sie sich in die Welt des Bewusstseins vor.
Nein, nicht tot... es würde nicht so wehtun, wenn ich tot wäre, dachte sie unkonzentriert. Es fiel ihr schwer, einen zusammenhängenden Satz zu formen.
Aubrey schaffte es, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn zu lenken. Noch nicht tot, sagte er schnell und brutal. Aber du wirst es bald sein, wenn wir nichts unternehmen. Er schwieg einen Moment und schüttelte sie ein wenig, damit sie nicht wieder wegdämmerte.
Vorsicht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Arm richtig fest sitzt, antwortete sie, als ihr trockener Humor langsam zurückkehrte.
Ich kann dich in ein Krankenhaus bringen, wo sie dir Blut geben werden. Wahrscheinlich bleibt uns noch Zeit, sagte Aubrey zu ihr. Oder, wenn du willst – ich weiß, dass du das mal gesagt hast – kann ich dir meins geben.
Wenn sie genug Luft dazu gehabt hätte, hätte sie gelacht.
Wollte sie eine Vampirin sein? In Neuchaos leben, in der Gemeinschaft, die seit Jahren ihr Dasein bestimmte, mit Aubrey zusammen sein, dem Einzigen, bei dem sie sich je wirklich entspannt gefühlt hatte, niemals wieder Beute sein?
Dann gab es als Bonus auch noch Unsterblichkeit und die verführerische Idee, Fala zu einem blutigen Fleck an der Wand zu schlagen.
Brauchst du darauf wirklich eine Antwort?, fragte sie schließlich und hörte, wie Aubrey vor Erleichterung seufzte.
Natürlich wäre sie die Erste in seiner Linie – in ihrer Linie, verbesserte sie sich, als ihr einfiel, dass sie bald ein Teil davon sein würde –, die gefragt worden wäre.
Sie alle waren aus den verschiedensten Gründen verwandelt worden: aus einer Laune heraus, aus Rache, Hass oder aus Liebe. Aber keiner von ihnen hatte je die Wahl gehabt.
Jessica lächelte trocken, als sie daran dachte, was für einen Gefallen Fala ihr unwissentlich getan hatte. Sie hatte um ihr Leben gekämpft, als Fala ihr Blut getrunken hatte, und nun konnte sie sich frei entscheiden, als Aubrey ihr seines anbot.
Aubrey nahm sein Messer – dasselbe, das er vor Jahren benutzt hatte, um Äthers Blut zu vergießen, als sie ihn verwandelte. Er zog sich die Klinge unter seinem Kehlkopf über den Hals und hob Jessica an, damit sie trinken konnte.
Sie kannte diesen Moment im Leben all ihrer Vampirfiguren, hatte ihn mit Worten beschrieben und in ihren Träumen gespürt. Aber sie hatte es nie ganz verstanden.
Während sie trank, schloss sie die Augen und gab sich ganz dem süßen Geschmack und dem Gefühl hin, das ihn begleitete. Es gibt kaum Worte, um die alles überwältigende Macht zu beschreiben, die sie wie ein blauer Blitz erfüllte, in jede Zelle ihres Körpers drang und alles veränderte, was sie berührte.
Jessica versuchte, sich an diese Empfindung zu klammern, aber eine sanfte Taubheit begann wie die ersten Ranken des Schlafs über ihre Haut und ihren Geist zu kriechen. Sie war sich nur undeutlich der Tatsache bewusst, dass ihr Herzschlag sich verlangsamt und schließlich ausgesetzt hatte, und sie begriff nur vage, dass sie nicht mehr atmete. Die unvermeidliche Schwärze des Todes
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