02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
nicht mehr in der Lage gewesen, fortzufahren. Die kulturelle Kluft zwischen unserer Arbeitsweise und der von Bernie Sahlin muss ihn verblüfft und sogar pikiert haben, aber sie war unüberbrückbar, und er reiste nach fünf Tagen aus Manchester ab, ohne bei uns deutliche Spuren hinterlassen zu haben. Er vermittelte uns jedoch, dass wir es, wären wir geborene Amerikaner, niemals im Comedy-Geschäft zu etwas gebracht hätten, und wir haben ihm vielleicht mitgegeben, dass die Briten stur sind, schüchtern und total beherrscht von einer einzigen vorherrschenden Gefühlsregung, einem Affekt, einem Laster, einer Charaktereigenschaft, einer Krankheit … wie immer man es noch nennen mag: Kleinmütigkeit. Ben haute ein Skript nach dem anderen auf seine Weise heraus, und wir fuhren damit fort, auf unsere Weise so gut wie nichts herauszuhauen.
Außer Steve Morrison, Sandy Ross, Robbie und Siobhan hatten wir jetzt, in Form eines Produzenten namens John G. Temple, einen fünften Schotten an Bord. Hugh erzählte, dass Temple ihn eines frühen Morgens,als wir unsere Kostüme für den Tagesdreh anzogen, angesprochen und gefragt hatte, welche Drogen ich genommen hätte.
»Keine Drogen«, hatte Hugh gesagt. »Stephen ist einfach so.«
Als er mir von diesem Gespräch berichtete, war ich zutiefst schockiert. Was hatte ich an mir, das einen Fremden veranlassen konnte, so schnell zu dem Schluss zu kommen, dass ich unter Drogeneinfluss stehen musste? Hugh erklärte mir so taktvoll, wie er konnte, dass es möglicherweise an meiner exzessiven morgendlichen Energie liegen könnte. Ich war schon immer von den frühesten Stunden an laut und übersprudelnd gewesen, aber es war mir nie in den Kopf gekommen, dass diese Manie so extrem sein könnte, dass sie den Eindruck von Drogenmissbrauch erweckte. Jeder andere war an meinen oft unmäßigen Überschwang und Elan gewöhnt, aber die Ausbrüche waren anscheinend sonderbar genug, um einen Neuankömmling wie John zu den wildesten Spekulationen zu verleiten.
Vielleicht hätte mir das eine Mahnung sein sollen, mich etwas sorgfältiger um meinen jeweiligen Geisteszustand zu kümmern, aber wenn man jung ist, werden exzentrische Impulse, Stimmungsschwankungen und Verhaltensmarotten leicht übersehen, ignoriert oder lachend übergangen. Man ist noch flexibel. Man kann all die Barrikaden, Barrieren und Blockaden, die sich dem Leben und den Launen des Geistes in den Weg stellen, geschmeidiger überwinden. Wenn die Vierzig überschritten sind, ändert sich die Lage. Was einmal elastisch war und biegsam, bricht jetzt wie ein trockener Knochen. Vieles von dem, was in der Jugend sympathisch ist, ungewöhnlich, provokativ und bewundernswert seltsam,wird im mittleren Alter tragisch, einsam, krankhaft, schal und marode. Ein verletzter oder geplagter Geist nimmt einen Lebenslauf, nicht unähnlich dem eines Alkoholikers. Ein Zwanzigjähriger, der stark trinkt, hat ein bisschen was von einem Schlawiner; manchmal ist sein Gesicht vielleicht ein wenig gerötet, manchmal ist er zu betrunken, um zu diesem oder jenem Termin pünktlich zu erscheinen, aber in der Regel wird er (oder sie natürlich) liebenswert und regenerationsfähig genug sein, um mit dem Leben zurechtzukommen. Wann genau sich die Krampfadern, die Säufernase, die bedrohlichen blutunterlaufenen Augen und die scheußlichen Persönlichkeitsveränderungen unabänderlich einstellen, ist schwer zu sagen, aber eines Tages bemerkt jeder, wann ein dem Alkohol verfallener Freund nicht mehr unterhaltsam ist und nicht mehr charmant – er ist peinlich und zur Belastung geworden, und er geht einem auf die Nerven. Ich habe eben das bei kleinen Persönlichkeitsschrullen und Veranlagungen gesehen und erlebt, die zur Jugendzeit angenehm waren, gewinnend und anscheinend harmlos, sich aber in späteren Jahren als zerstörerisch bis zur Seelenangst, Sucht, Degeneration, Verzweiflung, Selbstverletzung und bis zum Selbstmord erwiesen. Beim Schreiben dieses Buchs hat es Momente gegeben, in denen ich auf so gut wie alle meine Freunde und Zeitgenossen zurückgeschaut habe (einschließlich meiner selbst natürlich), von denen so viele mit Talent, Verstand, Brillanz und Glück gesegnet waren, und ich habe mich zu der Ansicht genötigt gesehen, dass wir allesamt im Leben versagt haben. Oder dass das Leben uns hat versagen lassen. In unseren Fünfzigern ist der physische Verfall, mit dessen natürlichem Eintreten man gerechnet hat, bei weitem übertroffen worden
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