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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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schuldig fühle. Zu viel Kaffee zutrinken, mich nicht stark genug zu konzentrieren, meine E-Mails nicht schnell genug zu beantworten. Nicht in Kontakt mit Menschen zu bleiben, denen ich versprochen habe, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Zu selten zum Fitnesstraining zu gehen. Zu viel zu essen. Zu viel zu trinken. Einladungen abzulehnen, bei einem Wohltätigkeitsdinner zu reden. Absolut unverlangte Drehbücher viel zu langsam zu lesen und zu kommentieren. Das alles sind so gut wie bedeutungslose Verstöße; es sind nur klägliche Planktonpartikel in der Tiefsee der Sünde, selbstredend, aber meine Gefühle sind so zaghaft, duckmäuserisch und beichtselig wie sich selbst kasteiende Calvinisten in ihren schlimmsten kniefälligen und unterwürfigen Rasereien der Reue. Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt oder das Jüngste Gericht oder einen Erlöser, aber ich durchlebe die Scham, das Schlottern und die Selbstgeißelung des frömmsten und hysterischsten aller Asketen ohne das wohlfeile Versprechen der Vergebung und ein göttliches Gehätschel zur Belohnung.
    Du meine Güte, ich weiß, wie sich das hier lesen muss. Von den Neurosen zu hören, die ein verzogener, überbezahlter, zu hoch gepriesener, zu verkorkster Promi beklagt, ist mit Sicherheit unerträglich. Zu hören, wie ich mich in dem Luxus suhle, mir über so unerheblichen Firlefanz den Kopf zu zerbrechen, wo doch gleichzeitig so viele Menschen auf der Welt unter dem Trauma, dem Terror und den Torturen von Armut, Hunger, Krankheit und Krieg leiden. Sogar hier in der entwickelten Welt gibt es viele, deren finanzielle und familiäre Probleme leicht ausreichen – um es gelinde auszudrücken –, meine Misere ohne große Sympathie wahrzunehmen. Ich
weiß.
Mein Gott, meinen Sie, ich weiß nicht, wie empörendselbstsüchtig, narzisstisch und kindisch das für viele klingen muss? Darum geht es. Mein echtes Missvergnügen ist das an meinem Missvergnügen. Wie kann ich es wagen, so unzufrieden zu sein? Was maße ich mir an? Oder wenn ich schon unzufrieden bin, warum muss ich noch meine Klappe aufreißen?
    Ich weiß, dass Geld, Macht, Prestige und Ruhm nicht glücklich machen. Wenn uns die Geschichte überhaupt etwas lehrt, dann das. Sie wissen das. Jeder stimmt zu, dass es sich dabei um eine augenfällige Wahrheit handelt, die so evident ist, dass sie nicht zweimal ausgesprochen werden muss. Seltsam kommt mir jedoch vor, dass die Menschheit, obwohl sie es weiß, es nicht wissen
will
und sich fast immer entscheidet, sich zu verhalten, als sei es nicht wahr. Es passt der Welt nicht, hören zu müssen, dass die Leute, die ein Leben in Saus und Braus führen, ein beneidenswertes Leben, ein privilegiertes Leben, sich meistens genauso miserabel fühlen wie alle anderen auch, obwohl es doch auf der Hand liegen dürfte, dass es so sein müsste – denn schließlich sind wir uns doch alle einig, dass Geld und Ruhm nicht glücklich machen. Stattdessen wäre die Menschheit trotz der ihr wohlbekannten gegenteiligen Wahrheit erfreut über die Vorstellung, dass Reichtum und Ruhm tatsächlich abschirmen und vor Elend schützen, und sie zöge es vor, wenn wir den Mund hielten, statt auf die Idee zu kommen, anderes anzudeuten. Dafür bin ich auf jeden Fall. Die meiste Zeit lächle ich und stimme zu, dass ich der größte Glückspilz unter der Sonne bin und mich wohl fühle wie eine Made im Speck. Meistens. Nur nicht, wenn ich ein Buch wie dieses schreibe. Nicht, wenn die Übereinkunft herrscht, dass ich versuchen werde, so ehrlich wie möglich mit Ihnen zu sein.Was andere Leute betrifft, darf ich, wie gesagt, mein fieses Spiel treiben oder falsch Zeugnis reden, aber der Sinn einer Autobiografie besteht doch wohl darin, zumindest nach einem Körnchen Selbstoffenbarung und Ehrlichkeit zu streben. Und so muss ich gestehen, dass ich, so töricht es auch klingt, einen großen Teil meines Lebens damit verbringe, mich von einem unerbittlichen und blinden Gewissen, das mir jede glückliche Minute versagt, einkerkern und martern zu lassen. Wie viel am Gewissen liegt und wie viel an der Zyklothymie, der besonderen bipolaren Störung, die man bei mir diagnostiziert hat und auf die wir in diesem Buch (hurra!) nicht zurückkommen werden, kann ich nicht sagen. Ich gebe mich damit zufrieden, zwischen allen erdenklichen moralischen, psychologischen, fiktiven, spirituellen, neuralen, hormonalen, genetischen, diätetischen und umweltbeeinflussten Erklärungen für meine Niedergeschlagenheit zu

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