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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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zügeln. Für den Rest des Trimesters führte ich mich in Cambridge auf wie eine Biene in ’ner Buddel.
    Irgendwann, so nehme ich an, muss ich einige Prüfungen abgelegt haben. Prelims hießen sie, glaube ich. Ich kann mich in diesem Zusammenhang an nichts Genaues erinnern. Weder wo diese stattfanden, noch welche Fragen wir zu beantworten hatten. Ich nehme an, ich habe sie bestanden, denn es gab anschließend keinen Ärger, und ich musste mich keinen strengen mündlichen Prüfungen unterziehen. Meine Zeit in Cambridge verging auch deswegen so angenehm, weil mir keine akademische Studien in die Quere kamen. Eine Universität ist, dem Himmel sei Dank, nicht der Ort für eine berufliche Ausbildung, sie hat mit der Vorbereitung auf Arbeitsleben und Karriere nichts zu tun, sondern sie ist ein Ort der Bildung, und das ist etwas anderes. Die wahre Bildung findet nicht im Vorlesungssaal oder in der Bibliothek statt, sondern in den Zimmern von Freunden in Ausgelassenheit und frohgelaunten Streitgesprächen. Wein vermag ein weiserer Lehrer zu sein als Tinte, und ein Wortgeplänkel ist oft besser als ein Buch. Das zumindest war meine Theorie, und nach ihr lebte ich. Derart abgeklärte und hehre Vorstellungen von Bildung im Gegensatz zur reinen Berufsausbildung gingen unserer neuen politischen Führung allmählich auf die Nerven. Thatcher war schließlich Industriechemikerinund Anwältin, und in diesen beiden Disziplinen ging es darum, sich Fakten eintrichtern zu lassen und zu büffeln, aber nicht im Geringsten um Bildung – wie sie bewies. Unsere Art des leichtherzigen Lernens, das sie wohl als lotterhaft ansah, dieses Festhalten an der elitären Tradition der Freien Künste, diese arrogante athenische Selbstbezogenheit war der Feind, ein giftiges Unkraut, das radikal ausgemerzt werden musste. Seine Tage waren gezählt.
    Der Queens’ May Ball 1979 fand statt. Ich schmückte mich mit dem Frack, den ich für die Woche geliehen hatte, und war bereit für … na ja, für den Ball. Wir bestgelaunten, vor Stolz glühenden und aufgeregten Mitglieder des Komitees trafen uns eine halbe Stunde vor Ballbeginn auf ein Glas Champagner. Zehn Minuten später lag ich in einem Krankenwagen auf dem Weg zum Addenbrooke’s Hospital, eine Sauerstoffmaske über dem Gesicht und um jeden Atemzug ringend. Verfluchtes Asthma. Es sollte volle zwei Jahre dauern, bis ich endlich herausfand, worauf die Attacke wirklich zurückzuführen war. Ich bekam diese Anfälle häufig bei Hochzeiten, Gesellschaften, Hunt Balls und anderen Veranstaltungen ähnlicher Art. Bei solchen Gelegenheiten gab es natürlich Blumenschmuck und Pollenflug, und daher war ich nie auf die Idee gekommen, dass der Grund für mein blau anlaufendes Gesicht und meine den Dienst versagenden Lungen in Wirklichkeit der Champagner war. Eine lachhafte Allergie, aber man kann sie sich nicht aussuchen.
    Im Addenbrooke’s bewies eine Adrenalininjektion so umgehend ihre aufbauende Wirkung, dass ich um zehn aus dem Krankenhaus raus, in einem Taxi und wieder auf dem Rückweg ins Queens’ war. Zwei zusätzliche Notfall-Inhalatoren in den Taschen verdarben leiderSchnitt und Sitz meiner Frackhose. Ich war entschlossen, keine weitere Minuten zu verpassen.
    May Balls klingen traditionell mit einem Frühstück aus, und viele Partygänger lieben es, die Morgendämmerung auf dem Cam zu begrüßen. Sogar schon in jenem jungen Alter war ich ein sentimentaler Narr, gefühlsduselig bis zum dämlichen dorthinaus. Das hat sich bis heute nicht gegeben, und ich werde den Anblick junger Männer in ungezwungener Abendgarderobe, die ihre Angebeteten an einem Sommermorgen durch den Fluss staken, auf ewig für schmerzvoll romantisch halten, für qualvoll entzückend und herzzerreißend anbetungswürdig.

Caledonia 1 – Schottland, zum Ersten
     
    Nach Ende des Trimesters machte ich mich wie gewöhnlich auf nach North Yorkshire, um ein wenig Latein zu lehren, Schiedsrichter in der Second Eleven von Cundall Manor zu spielen, die Spielfelder für den Sports Day vorzubereiten und, in der wenigen Freizeit, die mir blieb, die Rolle des Ödipus und den Text meiner diversen Figuren in einer Inszenierung von
Artaud at Rodez
von Charles Marowitz zu lernen, die von den Cambridge Mummers aufgeführt wurde und in der aufzutreten ich, vielleicht törichterweise, ebenfalls zugesagt hatte. Töricht deswegen, weil ich zwei Wochen lang Tag für Tag, kaum dass der Vorhang bei
Artaud
gefallen war, zum Theater sausen musste, in

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