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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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anspruchsvolle und vornehme Berufskleidung für akademische Würdenträger, für Richter, Kirchenoffizielle und sonstige Festkleidung aller Art vom Graduiertentalar bis zur königlichen Robe geschneidert. Das zweireihige Dinnerjackett aus schwerer Wolle, das sie für mich anfertigten, war ausnehmend schön. Die Reversränder waren mit schwarzer Seide gepaspelt, und die Streifen außen an den Hosenbeinen waren ebenfalls aus Seide. Kim fand, ich müsse dazu passend ein korrektes Hemd mit separatem Kragen haben und außerdem eine schöne schwarze Fliege aus Seide. Und wie sollte ich das alles tragen ohne angemessene Schuhe? Kim war großzügig mit seinem Geld, aber er protzte nie damit. Nicht einmal ließ er mich spüren, dass ich mich glücklich schätzen könne, von seiner Spendierfreudigkeit zu profitieren, und nie brachte er mich damit in Verlegenheit odermachte mich sprachlos. Die Liebenswürdigkeit zeigte sich in der Art seiner Generosität wie in deren Umfang, wenngleich beides der Ausstattung unserer Zimmer merklich zugutekam. Kims Mutter ließ oft große Präsentkörbe von Harrods schicken, Kisten mit Wein und stapelweise Socken aus Kaschmirwolle für ihr geliebtes Einzelkind. Sein Vater arbeitete in der Werbebranche, hatte irgendwas damit zu tun, wo die Plakate platziert wurden, und es handelte sich allem Anschein nach um ein florierendes Unternehmen. Der relativ bescheidene Wohlstand meiner Familie erlaubte keinen Jahrgangsportwein, keine Trüffel, keine Pâtés, wie Kim sie kredenzt bekam, aber zum Unbehagen eines Skeptikers wie ich es bin, bewies meine Mutter die höchst unheimliche Fähigkeit, zu ahnen, wann meine Geldmittel knapp oder gar ganz erschöpft waren. Lag eine bedrohliche Rechnung von Heffer’s, der Buchhandlung von Cambridge, in meinem Fach und raubte mir den Schlaf, konnte ich sicher sein, dass ich am nächsten Morgen einen Brief von meiner Mutter vorfand, dem ein Scheck beilag und eine kurze Notiz, die ihre Hoffnung ausdrückte, dass die Unterstützung von Nutzen sei. Die Summe schien fast immer die Rechnung abzudecken und einen gehörigen Betrag für Wein und Brot übrigzulassen.
    Meine Schwester Jo kam zu Besuch und blieb eine Weile. Sie himmelte Kim an und schloss mit allen Freundschaft. Die meisten hielten sie für eine Undergraduate, obwohl sie erst fünfzehn war. In einem Brief, den ich ihr schrieb, als sie wieder zu Hause war, muss etwas gestanden haben, das mein Vater las, etwas, aus dem klar wurde, dass ich schwul war. Er ließ über die Pförtnerloge vom Queens’ ausrichten, ich möge ihn anrufen. Als ich mit ihm sprach, sagte er, er habe meinen Brief anJo gelesen und es täte ihm leid, es getan zu haben, aber was das Schwulsein beträfe, da sei er überglücklich …
    »Oh, deine Mutter möchte noch mit dir sprechen.«
    »Darling!«
    »Oh, Mama. Bist du jetzt erschüttert?«
    »Sei doch nicht albern. Ich glaube, ich hab’s schon
immer
gewusst …«
    Es war eine wundervolle Erleichterung, dass es auf diese Weise offenbar wurde.
     
    Meiner akademischen Pflicht, eine Woche lang in der Mensa das Tischgebet auf Lateinisch zu sprechen, musste wieder nachgekommen werden. Ich schrieb gelegentlich Artikel und Fernsehkritiken für eine Studentenzeitschrift namens
Broadsheet
, und mehr und mehr Rollen in mehr und mehr Stücken wurden mir angeboten. Ich spielte einen Diskjockey in
City Sugar
von Stephen Poliakoff, einen Dichter in Edward Bonds
The Narrow Road to the Deep North (Schmaler Weg in den tiefen Norden)
und einen Don der Altphilologie in einem neuen Stück des Undergraduate Harry Eye. Ich spielte Könige und Herzöge und alte Stellvertreter des Königs bei Shakespeare und Mörder und Ehemänner und Geschäftsleute und Erpresser in alten Stücken, in neuen, in vergessenen und in wiederbelebten. Wenn Kiplings Ansicht stimmt, dass die Bereitschaft, jede Minute mit wohlgenutzten sechzig Sekunden wie beim Dauerlauf auszufüllen, wahrhaftig, wie er behauptet, das Zeichen eines ganzen Mannes ist, dann schien ich zu einem der maskulinsten Studenten in Cambridge geworden zu sein.
    In den Weihnachtsferien, die zwischen das Michaelmas- und das Lent-Trimester fielen, begleitete ichdie European Theatre Group auf einer Tournee durch Europa und ließ den Segen
Macbeth
einer verwirrten Auswahl holländischer, deutscher, Schweizer und französischer Theaterbesucher zuteil werden, die hauptsächlich aus widerspenstigen Schulkindern bestand. Regisseurin dieser Produktion war Pip Broughton, die auch

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