02 Jesses Maria: Wechseljahre
Aufkleber „Marias gereimte Ungereimtheiten“ geschrieben hat, da habe ich es gewagt.
Ich habe ihren Ratschlag umgesetzt.
Ich habe gedichtet.
Der Anlass war Gabi Horstmanns Geburtstag im Bürgerhaus. Und das ist dabei rausgekommen:
Herzlichen Glückwunsch, Gabi! Alles Gute
ich freu mich so, bei Dir zu Gast zu sein,
sagt Susi. Und sie denkt: Die dumme Pute,
die lädt sogar die blöde Müller ein.
Und ihre teuren Jacketkronen blitzen,
sie grüßt und nickt und lächelt alle an.
In einer Stunde hat sie einen sitzen
und dann beginnt die Jagd nach einem Mann.
Am runden Tisch, links, sitzen die Verwandten.
„Mein Gott“, denkt Susi, „sind die provinziell!“
Sie winkt den Nachbarn und den alten Tanten
von weitem zu. Und dreht sich um. Ganz schnell.
„Für mich Champagner - wenn sie welchen führen!“
Der Barmann hat ja Haare auf der Brust!
Der soll es auch von Anfang an gleich spüren:
Sie kennt die Welt.Und hat heut keine Lust.
Sie nimmt ein Bier. Na gut, dann heute ländlich.
Champagner ist im Bürgerhaus nicht drin.
Die Deko auf den Tischen ist ja schändlich!
Und diese Leute! Ich gehöre hier nicht hin.
Aha. Musik. Jetzt kommt die Polonäse.
Am Klo vorbei, links rum und dann nach vorn.
Auf dem Büfett stehn Shrimps in Mayonnaise.
Auch dort entlang und dann gibt’s einen Korn.
Die Kegelschwestern sagen ein Gedicht auf.
Auch Susi klatscht dazu im Rhythmus mit.
Sie setzt dabei ein fröhliches Gesicht auf.
Nimmt noch ein Bier. Und fühlt sich richtig fit.
Ihr Chef hält später dann noch eine Rede. Er macht das gut,
er ist daran gewöhnt.
Der sieht gut aus, denkt Susi. Alter Schwede.
Sie geht aufs Klo, wo sie sich rasch verschönt.
Als sie zurück kommt, steht der Chef am Tresen.
Und neben ihm die Dame vom Versand.
Sie redet klug und gibt sich sehr belesen.
Der Chef prüft. Ihren Hintern mit der Hand.
Susi trinkt Bier. Zehn Stück in einer Stunde.
Ein Dicker fordert sie zum Tanzen auf.
Schneewalzer. Foxtrott. Und noch eine Runde.
Und Susi lässt den Dingen ihren Lauf.
Das Haar zerzaust und das Make-up zerronnen.
Die Stöckelschuh beim Barmann deponiert.
Die Nacht ist bunt und hat grad erst begonnen.
Und Susi gibt sich gar nicht mehr blasiert.
Die Damenwahl kommt ihr nicht ungelegen.
Susi ist sicher, dass noch was passiert.
Sie sieht sich um. Mund, Blick und Haar - verwegen.
Nein, nicht mit dem, denn der ist tätowiert.
Dort! Ein Adonis! Susi’s Hände beben.
Er steuert direkt auf die Theke zu.
Lächelt sie an. Und Susi glaubt zu schweben.
Und ihre Augen finden sich im Nu.
Sie tanzen und betrinken sich gemeinsam.
Sie essen Spargelröllchen am Büfett.
Und Susi weiß: Noch gestern war sie einsam.
Adonis tätschelt sanft ihr Dekolleté.
Als Gabi kommt, sind Susi’s Augen strahlend.
Stolz auf die Beute liegt in ihrem Blick.
Jedoch Adonis, eben wild und prahlend,
zieht blitzschnell seinen Arm von ihr zurück.
„Komm Schatz!“ sagt Gabi irgendwie ironisch.
Und Susi weiß sofort, worum es geht.
Adonis flieht mit Gabi. „Wie harmonisch!“,
zischt Susi. „Barmann, schenk’ noch einen ein!“
Die letzten Gäste gehen gegen Morgen.
Gabis Geburtstag ist nun mal vorbei.
Und niemand macht sich mehr um Susi Sorgen.
Auch dem Adonis ist sie einerlei.
Susi schwankt ohne Schuhe um die Ecke.
(Der Barmann hat sie hinterm Tresen stehn.)
Susi ist schlecht. Sie kotzt in eine Hecke.
Und sie hat keine Lust, nach Haus zu gehn.
Sie torkelt in den deutsch gepflegten Garten
und schaut den Fischen zu im Goldfischteich.
Und dann beschließt sie, nicht darauf zu warten,
uralt zu sterben. Dann doch lieber gleich.
Zwei Tage später meldete die Presse:
„Susi S. im Gartenteich ersoffen!“
Gabi las die Meldung mit Int’resse
Und ihr Adonis zeigte sich betroffen.
Öffentlicher Verkehr
Das ist schon der zweite verregnete Tag, seit ich Tamaras Wohnung in Köln hüte. Ich habe mir ein Tagesticket für die Straßenbahn gekauft und fahre einfach so durch die Stadt. So kommt man in Kölner Viertel, die man sonst nie sähe.
Neumarkt. Das ist der mit dem umgedrehten Eis auf dem Dach.
Heumarkt ist der mit den drei Büdchen nebeneinander. Und alle laufen! Das gäb‘s bei uns nicht.
Bei uns gibt‘s überhaupt keine Büdchen. Wenn alles zu hat, also um halb sieben, kann man in der Tankstelle einkaufen. Doppelt so teuer wie normal. Hier gibt‘s in jeder Straße ein Büdchen, die haben Tag und Nacht geöffnet und keine Tankstellenpreise. Toll. Einfach toll.
Messe Deutz. Jetzt wird‘s unterirdisch. Das ist langweilig. Man
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