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02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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anderer Gast möglicherweise ebenso früh auf den Beinen war wie sie selbst. Und nichts lag ihr ferner, als sich schon wieder allein mit Sir Clayton wiederzufinden. Sie müsste erneut krampfhaft versuchen, ein unverfängliches Gespräch mit ihm anzuknüpfen, bis die Gastgeber sich bequemten, endlich zu erscheinen.
    Gestern, als sie kurz vor zwölf Sir Clayton eine gute Nacht gewünscht hatte, waren ihre Worte ebenso höflich erwidert worden. Der Zwist vom frühen Abend schien vergessen, und Ruth war entschlossen, dem Mann keine weitere Angriffsfläche zu bieten, solange sie durch den Schnee hier festgehalten wurden.
    Nach zwei Runden Pikett, von denen jedes Spielerpaar eine gewonnen hatte, hatten Gavin und Sarah sich dem Domino zugewandt, während sie selbst und Sir Clayton bei den Karten geblieben waren.
    Sie hatte zwei Spiele für sich entscheiden können, hegte jedoch den Verdacht, dass Sir Clayton sie gewinnen ließ. Der Gedanke missfiel ihr, weil sie befürchtete, von ihm als Gegnerin nicht ernst genommen zu werden. Doch dann fragte sie sich, ob er womöglich aus ganz anderen Motiven so handelte. Wollte er auf diese Art und Weise sein schroffes Verhalten von vorher wieder gutmachen? Schließlich freute sie sich ihres Sieges und zog Sir Clayton damit auf, dass er sie um ihren Wettgewinn gebracht hatte: Nicht nur hatte sie richtig geraten, dass es zum Dinner gefüllte Gans geben würde, nein, sie hatte ihn außerdem im Kartenspiel geschlagen. Er aber hatte vorgeschlagen, dass sie der Gesellschaft das zweifelhafte Vergnügen ihres Gesangs bot.
    Sir Clayton setzte angesichts der überwältigenden Beweislage eine schuldbewusste Miene auf und bot Ruth an, ihr noch einen Sherry zu bringen. Als er ihr jedoch das Glas aushändigte, reizte er sie erneut: Er gab ihr den Rat, dieses etwas langsamer zu leeren.
    Der Abend verging unter Geplauder und humorvollen Neckereien recht angenehm, bis es Zeit wurde, sich zu Bett zu begeben. Doch auch wenn Sir Clayton seinen routinierten Charme und sein gewinnendstes Lächeln an den Tag legte; wenn ihre Blicke sich gelegentlich länger als nötig begegneten oder ihre Finger sich wie unabsichtlich streiften: Sie ließ sich durch all das nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen ihnen förmlich Blitze zuckten.
    Gedankenverloren setzte Ruth sich jetzt an den Frisiertisch und griff erneut zur Bürste. Langsam ließ sie die Borsten durch ihr Haar gleiten und lächelte dabei etwas wehmütig ihrem Spiegelbild zu. Ein Gutes besaß die Begegnung mit Sir Clayton jedenfalls: Sie hatte den unangenehmen Zwischenfall mit Ian Bryant beinahe vollkommen aus ihren Gedanken vertrieben. Bald würde sie jedoch nach Fernlea zurückkehren und sich dem Klatsch stellen müssen.
    Plötzlich drangen von draußen Geräusche herein, und sie ging zum Fenster, um hinauszusehen. Vor den Stallungen stand ein Pferdeknecht und führte einen lebhaften Rappen am Halfter, der aufgeregt tänzelte und den Kopf zurückwarf. Als in diesem Augenblick ein Mann aus dem Stall trat, schien der Knecht erleichtert zu sein, die Zügel abgeben zu können. Mühelos schwang sich Sir Clayton in den Sattel und nickte dem Bedienten einen Dank zu.
    Der Reitrock brachte seine sportliche, durchtrainierte Gestalt aufs Beste zur Geltung, und die Sonne ließ helle Lichter in seinem blonden Haar aufleuchten. Er schien ein erfahrener Reiter zu sein, denn der feurige Hengst wurde sofort ruhiger, ohne dass Ruth hätte sagen können, mit welchem Kniff Sir Clayton ihn besänftigt hatte.
    Allerdings kannte sie sich im Reitsport auch kaum aus, da sie bisher nur selten auf einem Pferd gesessen hatte. Aber den Ponywagen kutschierst du sehr gut, erinnerte sie sich selbst, und ihre Mundwinkel hoben sich leicht.
    Das Lächeln verschwand augenblicklich, als sie gewahr wurde, dass Sir Clayton zu ihrem Fenster hochblickte. Es war zu spät, um sich noch hinter dem Vorhang zu verbergen. Daher blieb ihr nichts anderes übrig, als dem Blick standzuhalten und ihn zu erwidern. Ihr Unbehagen wuchs, als sie Sir Clayton lächeln sah – als schiene er zu ahnen, wie viel Mühe es sie kostete, stehen zu bleiben, statt zu flüchten. Mit übertriebener Höflichkeit tippte er sich grüßend an den Hut, bevor er den Rappen antrieb und über die unberührte Schneefläche davongaloppierte.
    Eine ganze Weile blieb Ruth wie erstarrt stehen. Ihre Wangen brannten, und sie berührte mit der kühlen Hand ihr Gesicht. Kein Wunder, dass der Mann glaubte, sie sei hinter ihm her! Schon

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