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02 - komplett

02 - komplett

Titel: 02 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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ihr Papa ihr hinterlassen hatte, erschreckend schnell zusammen.
    Lautlos, um Sarah nicht zu wecken, stand Ruth auf, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Außerhalb der Bibliothek ließ die kalte Luft sie frösteln. Sie trat ans Fenster und sah hinaus in das Dämmerdunkel. Es hatte wieder angefangen zu schneien.
    Plötzlich bauschte ein eisiger Luftzug ihr Kleid, und sie bemerkte, dass die große doppelflügelige Haustür geöffnet worden war. Von ihrer Fensternische aus sah sie, wie der Butler herangeeilt kam, um dem gerade eingetretenen Sir Clayton Mantel, Hut und Handschuhe abzunehmen. Nachdem er dem Gast den Schnee von den Schultercapes geklopft hatte, entfernte er sich wieder. Ruth wurde sich plötzlich gewahr, dass sie höchst undamenhaft starrte, und zog sich klopfenden Herzens tiefer in die Schatten zurück.
    Hoffentlich erwischte Sir Clayton sie nicht! Der Mann glaubte ohnehin schon, dass sie hinter ihm her war ... oder hinter seinem Vermögen. Wenn er sie hier sah, dachte er womöglich, sie hätte ihm aufgelauert. Sie hielt den Atem an und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, Sir Clayton möge sich unverzüglich auf sein Zimmer begeben. Dann könnte sie in die warme Bibliothek zurückkehren, ohne dass er sie bemerkte.
    Schnelle Schritte näherten sich, und ihr Klang hallte auf dem Marmor der Eingangshalle wider. Hastig drehte Ruth sich zum Fenster, um hinauszusehen.
    „Verstecken Sie sich hier?“
    Sie fuhr herum und spürte im selben Moment, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. „Oh ... ach, Sie sind es, Sir Clayton ... nein – vor wem sollte ich mich verstecken?“ Obwohl sie Überraschung vorschützte, wusste sie, dass ihre Verlegenheit sie verriet. Es bedurfte keines Wortes von ihm – schon das Zucken seines Mundwinkels ließ befürchten, dass er die ganze Zeit von ihrer Anwesenheit gewusst hatte. Oh nein – hatte er etwa bemerkt, wie sie ihn aus der Fensternische heraus beobachtete?
    „Ich bin erstaunt, Sie noch hier vorzufinden“, sagte Sir Clayton. „Sagten Sie nicht, Sie würden wieder nach Hause fahren?“
    „Das hatte ich auch vor“, gab Ruth ungehalten zurück. „Aber wie Sie wissen, hat das Tauwetter nicht lange genug angehalten, um mir die Heimkehr zu ermöglichen.“
    Sir Clayton trat näher und sah aus dem Fenster. „Die Straße nach Willowdene sah vorhin noch passierbar aus. Bis der Schnee überfriert, sollte es möglich sein, sie zu befahren.“
    Merkwürdigerweise verunsicherte seine Nähe sie mehr als seine Andeutung, sie hätte heimfahren können, wenn sie es wirklich gewollt hätte.
    „Aber diese Straße führt nicht zu meinem Haus, Sir“, erwiderte sie schärfer, als sie es beabsichtigt hatte. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, weil ein Schauer sie überlief. Sicher lag das an der kalten Luft, die Sir Clayton mit hereingebracht hatte.
    „Ich wohne in dem Dorf Fernlea, und die Straße dorthin ist viel schlechter als die nach Willowdene.“
    „Wollen Sie denn immer noch heimkehren?“
    „Selbstverständlich“, bekräftigte Ruth nach kurzem Zögern. „Aber ich möchte nicht, dass sich Kutscher und Pferde meinetwegen Gefahren aussetzen.“
    „Wenn Sie wollen, bringe ich Sie nach Hause“, erbot sich Sir Clayton. „Da es meine Gegenwart ist, die Ihnen den Aufenthalt hier unangenehm macht, ist es das Mindeste, was ich tun kann.“
    Überrascht sah Ruth ihn an. So viel war jedenfalls sicher: Sir Clayton Powell redete nicht lange um den heißen Brei herum. „Sie überschätzen Ihren Einfluss auf meine Entscheidungen. Auf mich warten dringende Angelegenheiten. Trotzdem gehe ich davon aus, dass dieses Haus groß genug ist, um uns beiden Platz zu bieten. Sicher wird es uns gelingen, uns noch ein wenig gegenseitig aus dem Weg zu gehen.“
    „Und was passiert, wenn das Wetter sich morgen nicht verbessert – oder sogar noch schlechter wird?“
    „Dann muss ich eben trotzdem nach Hause fahren“, gab sie zurück. Seine Beharrlichkeit fing an, sie zu ärgern. „Sofern Sie Ihr Angebot nicht zurückziehen, komme ich dann gerne darauf zurück und lasse mich von Ihnen nach Fernlea bringen.“
    „Es wird mir ein Vergnügen sein“, antwortete er, und die Andeutung eines Lächelns blitzte auf. Beiläufig hob er den Arm, um sich an der Wand abzustützen, und schnitt Ruth dadurch den Fluchtweg ab. Zwischen dem Fenster und Sir Claytons Körper wie in einer Falle gefangen, spürte sie, wie ihr erneut die Hitze in die Wangen stieg. Mit vielsagendem Unterton fuhr er fort:

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