02 - Schatten-Götter
zitterten und schwankten, als die Nachricht vom Tod ihres Kommandeurs sich wie ein Lauffeuer verbreitete und Panik auslöste. Jetzt war der richtige Moment gekommen. Er flüsterte ein Gebet an den uralten Sturmgott der Mogaun, hob sein Totem und befahl den Angriff. Als die Fußsoldaten sahen, wie diese gewaltige Formation von Reitern im vollen Galopp herankam, und gleichzeitig Einheiten von Schwertkämpfern der Mogaun angriffen, zerbrach ihre Formation. Einige wenige hielten stand und kämpften in trotzigen Gruppen, die meisten jedoch flohen in die verschneiten Felder westlich der Stadt.
Welgarak und Gordag trafen sich auf einem Hügel jenseits des Gemetzels. Beide waren verwundet, doch Welgarak schien es, als wäre Gordag schwerer getroffen worden. Blut rann aus einem Schnitt an seinem kräftigen Kinn und verkrustete den Pelzkragen seines schweren Wamses.
»Du hast dieses Gewürm mit ihren Schweinespießen zu nahe an dich herangelassen«, sagte er und kaschierte seine Sorge mit Gereiztheit.
»Pah, das sieht schlimmer aus, als es ist«, sagte Gordag. »Was ist mit dir? Wie hast du dir diesen Kratzer verdient?«
Welgarak folgte seinem Blick zu seinem rechten Bein, wo der Lederschutz weggerissen war. Aus einem kleinen Loch in seiner Wade rieselte das Blut und bildete einen roten Fleck. Erst jetzt fühlte er in dieser betäubenden Kälte die Wunde.
»Scheint, als müssten wir beide den Feldscher aufsuchen, Bruder«, sagte er. »Bevor unser ehemaliger Gebieter seinen nächsten Zug tut.«
»Ich fürchte, dass uns dafür keine Zeit bleibt.«
Als Welgarak Gordags grimmigen Tonfall hörte, hob er den Kopf und sah nach Süden. Es schneite stärker, und die abgelegene Seite der Stadt und die Landschaft dahinter lagen unter einer fahlen Schicht von Frost. Die Einheiten der Armee des Schattenkönigs, welche die unmittelbarste Bedrohung für die Mogaun bildeten, waren ganz in der Nähe, machten allerdings keinerlei Anstalten, sie anzugreifen.
»Du siehst sie gleich«, meinte Gordag.
Welgarak hörte sie vorher, die grellen Schreie, die der Wind zu ihnen trug. Diese Schreie versetzten ihn zurück zu der Belagerung von Rauthaz, vor einem Jahr, als die Akolythen einen Schwärm Fressbiester in die Straßen der Stadt geschickt hatten. Ihr Gebrüll entsprang einem unersättlichen Hunger nach Blut, und es erfüllte sein Herz mit eisiger Furcht, die er jedoch mit seiner Wut und seinem Rachedurst zu ersticken suchte. »Hier können wir sie nicht bekämpfen«, erklärte er.
»Stimmt«, befand Gordag.
»Wir müssen so schnell wie möglich fliehen und einen geeigneten Platz suchen …«
Noch während er das sagte, rissen sie ihre Pferde herum und brüllten ihren Männern zu, aufzusitzen und nach Norden zu reiten, wenn ihnen ihr Leben lieb war.
22
Entsetzliche Stürme,
Gewoben aus Sternen und Blut,
Brausen hervor
Aus einer geisterhaften Schwärze,
Um unsere Wälle einzureißen
Und unsere Kühnheit zu prüfen.
KELDON GHANT: OROSIADA: EIN MASKENSPIEL, 1. AKT, 2. SZENE
Atroc erklomm schwerfällig die roh behauenen Stufen der südlichen Mauer und schaute auf den Herrscher-Hain hinaus, als er ein tiefes, hallendes Dröhnen hörte, dem einen Augenblick später ein Beben folgte, das den soliden Stein der Mauer erschütterte. Er ahnte, was da passiert war, und die Furcht verlieh ihm Kraft, sodass er die letzten Stufen der Treppe hinaufrannte. Er war eigentlich zu einem von Bardows Magiern unterwegs gewesen, um Yasgur zu informieren, dass die dreihundert Schwertkämpfer aus Cabringa im Herrscher-Hain auf seine Befehle warteten. Aber er musste zuerst herausfinden, ob sich seine Ahnung bestätigte.
Bardow stand auf seinem Balkon und fröstelte trotz seines schweren Umhangs, während er beobachtete, wie die große Kriegsmaschine langsam zu einer Stelle an der Mauer in der Nähe des Schild-Tores nahe am Kaiserlichen Palast vorrückte. Er spürte die Kraft des Brunn-Quell, die in der Maschine schwelte, doch ihre Konstruktion und ihr Zweck blieben ihm aufgrund des gewaltigen Flickwerks aus Häuten verborgen, das den größten Teil der Maschine verbarg.
Fünfzig Meter vor der Mauer kam sie zum Stehen. Die Pferde wurden ausgespannt, und ein langer Ausleger wurde am hinteren Ende befestigt. Zwei Dutzend schwer gepanzerte und behelmte Soldaten nahmen rasch ihre Plätze ein, hoben den Balken an und schoben den Wagen weiter. Erst als er fast an der Mauer angekommen war, und ein Feuer aus Felsen und Pfeilen auf sich zog, stürmten einige der
Weitere Kostenlose Bücher