02 - Schatten-Götter
Raumes voller toter Wachen, als sie den ersten Aufprall hörte, einen dumpfen, gedämpften Schlag, unter dem der ganze Hohen Turm vibrierte. Das Geräusch verklang, und in der folgenden Stille hörte sie huschende Schritte und gesenkte Stimmen, als die Menschen an die Fenster eilten, um hinauszusehen. Auf dem Boden des Wachraums im ersten Stock lagen acht Männer in ihrem Blut, ohne dass auch nur Alarm geschlagen worden wäre. Offenbar hatte sie den Raum Sekunden, nachdem die Mörder hinausgeeilt waren, erreicht.
Dann hörte sie das Klirren von Waffen und einen Schrei in einem Durchgang, in dem eine schmale Treppe zum zweiten Stock hinaufführte. Als sie durch den Gang eilte und die Treppe hinauflief, dachte sie über die vielen Passagen nach, die den Hohen Turm durchzogen, und wunderte sich darüber, wie ungehindert die Feinde dort hatten eindringen können. Wäre nicht das meiste Wachpersonal aus dem Turm abgezogen und auf die Zinnen abkommandiert worden, hätte man diese Eindringlinge leicht in die Zange nehmen können. Die Treppe endete in einem Gesindezimmer, wo zwei weitere Gepanzerte in ihrem Blut lagen, während ein Dritter röchelnd in einer Blutlache auf dem Boden neben dem langen Tisch gegen einen Stuhl lehnte. Nerek eilte zu ihm, erkannte jedoch sofort, dass hier jede Hilfe zu spät kam.
»Nach oben …«, keuchte er. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, die er an seine Kehle presste. Mit der anderen Hand deutete er zitternd auf eine einfache Holztür. Sie nickte, trat hindurch und stürmte die Steintreppe hinauf, die dahinter lag. Sie nahm zwei Stufen auf einmal. Auf halber Höhe der Treppe hörte sie den zweiten Aufprall und spürte, wie die Treppe unter ihren Füßen bebte. Sie hielt jedoch nicht einmal einen Herzschlag lang inne.
Yasgurs Hoffnungen erhoben sich wie der sprichwörtliche Sagenvogel aus der Asche, als die Kriegshorde der Mogaun aus dem Norden angriff und Byrnaks sorgsam aufgebaute Formationen über die schneebedeckten Felder trieb. Doch im nächsten Moment verflog seine Erleichterung, als eine merkwürdige, dunkle Wolke über eine bewaldete Anhöhe eine halbe Meile weiter westlich zog. Sie schien dicht über dem Boden zu fliegen. Er wagte es nicht, seinen schrecklichen Verdacht in Worte zu kleiden. Die Nachtkrähe neben ihm hatte jedoch keine solchen Skrupel.
»Ah… Fressbiester«, sagte sie mit erstaunlicher Ruhe. »Was für eine Waffe, effektiv und furchteinflößend, wenn auch ein bisschen … unberechenbar.«
Fressbiester waren Bastarde der missgestalteten Bestien, die in diesen Landen schon lange ausgerottet waren. Keine zwei von ihnen glichen sich vollkommen, doch ihnen allen wohnte dieselbe Gier nach Blut und Beute inne, welche ihre Wärter durch Gefangenschaft und Hunger verstärkten. Während Yasgur zusah, schwärmte die gewaltige Masse dieser Ungeheuer über Felder und Hügel und verdunkelte den weißen Schnee. Einige Reiter an ihren Flanken führten sie. Die Mogaun hatten die Bedrohung erkannt, die auf sie zurollte, und galoppierten bereits vom Schauplatz ihres Überraschungsangriffs weg nach Nordwesten. Ein Teil der Fressbiester an der östlichen Flanke der Herde hatte anscheinend Witterung von dem blutigen Gemetzel aufgenommen, denn ein großer Haufen von ihnen brach zur Seite aus und raste zum Schlachtfeld, um ihrem unstillbaren Blutdurst zu frönen. Der größere Rest verfolgte jedoch die Kriegshorde der Mogaun.
Dann erfolgte der erste Hammerschlag, ein tiefer, vibrierender Laut, den Yasgur bis in die Magengrube spüren konnte. Er wirbelte herum und hielt sich an einem Dachbalken des Turms fest, während er sich weit hinauslehnte und an der Außenseite des westlichen Mauerabschnitts herunterblickte. Byraaks Kriegsmaschine hatte die Mauer erreicht und ihr massiver Arm mit dem dornenbewehrten Stein wurde durch irgendwelche unsichtbaren Vorrichtungen unter den langen Holzpanzer zurückgezogen.
Er fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Die Nachtkrähe.
»Zanser sagt, dass der Feind einen weiteren Angriff gegen die Südmauer führt.«
Wie erwartet, dachte er. »Er soll dem Mauerhauptmann sagen, dass Verstärkung unterwegs ist, aber er muss unbedingt den Wall halten!«
Sie nickte und wandte sich ab, als eine Gruppe panischer Botenläufer mit neuen Meldungen eintraf. Yasgur schickte sie rasch mit dem Befehl zurück, Einheiten von den seewärts gelegenen Bastionen auf dem Wall zu verteilen, während weitere Truppen zum südlichen Mauerabschnitt abkommandiert
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