02 - Schatten-Götter
des Turmes hinaufstieg, schenkte sich der Lordregent fröstelnd einen Becher heißen Weines aus einem Bronzekessel ein, der über einem Feuerkorb hing. Läufer brachten neue Nachrichten und Meldungen, während er an dem Wein nippte und Befehle gab. Die Armee des Schattenkönigs schien sich zurückzuziehen, vermutlich, um sich neu aufzustellen.
»Mylord«, sagte eine Frau hinter ihm. »Ich habe wichtige Neuigkeiten.«
Yasgur straffte sich und drehte sich um. Die Magierin, die sich Nachtkrähe nannte, schaute ihn mit ihren dunklen Augen kühl an. Sie war groß und schlank, trug einen langen blauen Mantel, und die scharf geschnittenen und ernsten Züge ihres blassen Gesichts verliehen ihr einen leicht hochmütigen Ausdruck. Yasgur fühlte sich in Gegenwart von Magiern stets unbehaglich, unterdrückte diesen Impuls jedoch.
»Und von wem, Lady?«, fragte er so freundlich wie möglich.
»Von eurem Seher Atroc. Er richtet Euch aus, dass die drei Schiffe mit jeweils einhundertfünfzig frischen Soldaten in diesem Moment am Langen Kai anlegen.«
»Gut!« Yasgur fühlte plötzlich einen beinah leichtsinnigen Hoffnungsschimmer. »Sagt Atroc, dass sie sofort zum Herrscher-Hain marschieren und dort auf weitere Befehle warten sollen. Das soll er dem diensthabenden Offizier am Kai ausrichten.«
»Er hat Eure Befehle verstanden, Mylord und versichert Euch, dass …«
»Wartet!« Er runzelte die Stirn. Auf der Nordmauer brandete plötzlich Jubel auf, als die Männer sich über die Zinnen beugten und hinausdeuteten. Yasgur starrte nach Norden durch den grauen Schneeschleier und bemerkte hastige Manöver in den Schlachtreihen der Feinde. Dann sah er den massiven Keil aus Reitern, der ihre zur Küste gelegene Flanke angriff, und verstand.
Die Kriegshorde der Mogaun warf sich auf Byrnaks ungeschützte und ahnungslose Truppen! Wie auch immer der Schattenkönig reagieren mochte, seine Streitkräfte wurden jedenfalls auseinandergerissen. Welgarak brannte vor Erregung, als er seine Reiter in das unorganisierte Getümmel von Byrnaks Schlachtreihen führte. Auf einem Hügel hinter ihnen schlug die zweite Welle der Mogaunhorde die führungslose Menge von maskierten Reitern in Stücke, während Welgarak seine eigenen Schwadrone in breiter Front gegen die nächstgelegene Infanteriephalanx warf.
Wie eine scharfe Klinge durchschnitten die Mogaun die Reihen der Feinde. Welgaraks Axt schlug blutige Bögen, jeder Hieb nahm grausige Rache für die Lügen und die Niedertracht, welche die Stämme der Mogaun von den Schattenkönigen hatten erfahren müssen. Die Häuptlinge und Krieger um ihn herum kämpften mit demselben glühenden Ingrimm, sehr wohl wissend, dass diese seelenlosen Maskierten einst stolze Krieger ihrer eigenen Clans gewesen sein konnten.
Blutverschmiert ritten die Mogaun durch die sich auflösenden Schlachtreihen der schwarzen Masken. Auf die Fußsoldaten, die in diesem dicht gedrängten, brüllenden, blutrünstigen Chaos steckten, mussten die heranstürmenden Reiter wie eine Welle des Todes wirken, der nichts standhalten konnte. Schließlich wendeten sich die aufbrechenden Phalanxen zu einer wilden Flucht, Welgarak jedoch ignorierte die Fliehenden und gab statt dessen mit seinem erhobenen Pelztotem und einem erschöpften Schrei ein Signal, auf das hin seine Reiter herumwirbelten und sich auf die nächste Infanterieeinheit stürzten.
Die Erfahrungen eines Lebens, das dem Kampf im Sattel und zu Fuß gewidmet war, hatten Welgarak gelehrt, dass der rechte Augenblick alles bedeutete. Der Kommandeur der zweiten Infanterieeinheit hatte gesehen, was seinen Kameraden passiert war, und ihm blieb genug Zeit, seine Phalanx neu zu formieren. Er begegnete der Bedrohung mit Speerträgern, die sich vor der Front der Schwertkämpfer aufbauten. Allerdings entblöß te er damit seine Flanken und die Nachhut, und während Welgarak den Angriff geschickt verzögerte, galoppierte Gordag an der Spitze von eintausend Reitern aus einer schneebedeckten Schlucht im Norden heran und brach in die linke Flanke des Feindes ein. Ein zweiter Keil von fünfhundert Männer donnerte aus den dunklen, eisigen Wäldern im Westen und stürzte sich auf ihre Nachhut.
Dennoch hielt sie stand, diese kompakte Phalanx der Infanterie, solange jedenfalls, bis ein Armbrustbolzen den Kommandeur inmitten seiner Leibgarde traf, dicht über dem Ohr die schwere Ledermaske durchschlug und durch den Schädel in sein Gehirn drang. Welgarak sah, wie die Speere in der Frontreihe
Weitere Kostenlose Bücher