02 - Schatten-Götter
schien. Dennoch stellten sie eine nicht zu unterschätzende Bedrohung dar. Was konnten ihre neuen Verbündeten gegen sie ausrichten?
Tauric kam sich vor wie ein kleines Kind, als er auf Shondareths breitem Rücken ritt und sich an seine weiße, dichte Mähne klammerte. Sie galoppierten inmitten dieser tausende zählenden, donnernden Kriegshorde der Mogaun einher, und er sah zwar jede Menge flüchtig bandagierte Wunden, aber weder Mangel an Schwung noch an unerschütterlicher Entschlossenheit. Die Flanken vieler Pferde und auch die einiger Hexenmähren wiesen Kratzer und Schnitte von der Begegnung mit den Fressbiestern auf. Doch dieser blutrünstige Schwärm von Bestien existierte nicht mehr.
Eine halbe Meile vor ihnen lag Besh-Darok. Von mehreren Stellen innerhalb der Stadt stiegen Rauchwolken in die schneeverhangene Luft auf, und als sie näher kamen, sah Tauric, wie sich große Gruppen schwarzgewappneter Truppen um einen großen, dunklen Schatten an der Westmauer scharten. Als er erkannte, worum es sich handelte, drohte die Furcht ihn zu überwältigen.
»Im Namen der Mutter!«, rief er. »Sie haben eine Bresche in die Mauer gesprengt…!«
»Aber irgendwas stimmt da nicht«, erwiderte Ghazrek. »Die Truppen dringen nicht in die Stadt ein, und diese Einheiten da drüben haben uns noch keine Kavallerie entgegengeschickt, obwohl sie uns längst gesehen haben müssen!«
Die Mogaun und die Hexenmähren verlangsamten in unausgesprochenem Einvernehmen ihre Geschwindigkeit, und die beiden Oberhäuptlinge galoppierten neben Taurics und Ghazreks Hexenmähren.
»Du hast gute Augen, Kusin«, sagte Welgarak zu Ghazrek. »Wir müssen ihre Verwirrung nutzen, so lange sie anhält.«
»Was ist denn passiert?«, fragte Tauric. »Ist es möglich, dass Byrnak gefallen ist?«
»Das scheint kaum möglich.« Welgarak strich sich über seinen grauen Bart. »Aber es würde all dies erklären.« »Sollen wir von hier und aus dem Norden angreifen?«, erkundigte sich Tauric.
»Das wäre zu gefährlich, o König«, widersprach Welgarak. »Es sind sicher noch genug Handlanger Byrnaks übrig, die versuchen werden, den Befehl an sich zu reißen, falls er tatsächlich gefallen ist. Zum Beispiel Azurech, aber auch andere seinesgleichen. Selbst wenn sie scheitern, ist die Zahl der Maskierten zu groß, sodass wir unsere Stärken ausspielen müssen. Schnelligkeit, das Überraschungsmoment und die Zauberei der Hexenmähren.«
»Habt Ihr einen Plan, Oberhäuptling der Mogaun?«, erkundigte sich Shondareth.
»Allerdings«, erwiderte der alte Kämpe mit einem gemeinen Grinsen. »Hört zu …«
Kurz darauf ritt Tauric auf Shondareth zum Gallaro-Tor, dem nördlichsten Tor in Besh-Darok, begleitet von zwanzig Hexenmähren. Der Rest galoppierte geradewegs auf die gewaltige Menge von feindlichen Soldaten zu, die an der Mauerbresche miteinander kämpften. Welgarak und Gordag hatten die Kriegshorde der Mogaun auf den Hängen zwischen der Stadt und dem Alten Fort auf der Schmugglerklamm neu aufgestellt. Sie befanden sich nördlich der unorganisierten Hauptmasse des Feindes und waren vor deren Blick durch lange, dichte Hecken verborgen.
Die Hexenmähren griffen in einem langen, breiten Keil an und wurden langsamer, als sie die Mauerbresche erreichten. Erst jetzt sahen die feindlichen Soldaten hoch und bemerkten sie. Dann erblickte Tauric etwas Erstaunliches: Während die Hauptherde der Hexenmähren ihr Tempo verlangsamte, rasten dreißig oder vierzig von ihnen auf eine lange, kahle Anhöhe direkt vor ihnen zu. Auf dem Grat stießen sie sich in einem ungeheuren Sprung ab, der sie durch die Luft und über die maskierten Krieger hinwegtrug. Sie flogen über ihnen hinweg und stießen dabei den nebligen Brodem des Todes aus. Die restlichen Hexenmähren schickten einen ähnlichen Todesbrodem in die Masse der Feinde. Der frostige Tod griff rasend schnell um sich.
Die Hexenmähren landeten nach ihrem Sprung auf der anderen Seite der Belagerer und sahen sich einer Kompanie Schwertkämpfer gegenüber. Sie verwickelten den Feind in einen erbitterten Kampf, den sie mit Hufen und weißem Brodem austrugen.
Shondareth drehte den Kopf zu Tauric herum. »Wir nähern uns der Stadt. Haltet Euch fest.« Tauric lachte nervös. Welgaraks Plan sah vor, eine Gruppe von Hexenmähren in die Stadt zu schicken, und Tauric begriff erst jetzt, dass sie wohl kaum einfach durch die Bresche traben konnten. Er klammerte sich fester an Shondareths Mähne, verstärkte den
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