02 - Schatten-Götter
Schenkeldruck und versuchte, seine Angst zu unterdrücken.
Es besteht kein Grund zur Furcht,
beruhigte ihn der Geist des Vater-Baums in seinem Kopf.
In lange vergangenen Zeitaltern haben die Hexenmähren zu ihrem Vergnügen Hochsprungwettbewerbe untereinander ausgetragen. Ich habe nie gehört, dass sich eine dabei jemals verletzt hätte…
Wirklich sehr … beruhigend, dachte Tauric verbissen.
»Seid Ihr bereit?«, erkundigte sich Shondareth.
»So gut es geht.«
Die Hexenmähre bäumte sich auf, machte ein paar Sätze vorwärts und sprang dann an der Stadtmauer hinauf. Tauric fühlte, wie die Schwerkraft an ihm zerrte, spürte den eisigen Wind in seinem Gesicht, aber er riss die Augen weit auf, während der Boden unter ihm zurückblieb und die Zinnen der Mauer auf ihn zuschössen. Er schrie laut auf, dann zischten die Befestigungen unter seinen Füßen hinweg, und ihm nächsten Moment landete Shondareth elegant auf den verschneiten Steinen des Walles. Während er langsam austrottete, landeten die restlichen Hexenmähren ebenso graziös neben ihm.
Tauric betrachtete seine Stadt unter dem bleiernen Himmel, der sie zu erdrücken schien. Ihre Dächer und eng zusammenstehenden Gebäude wirkten immer fahler, je weiter er den Blick schweifen ließ. Aus den großen Lagerhäusern am Fluss stiegen dichte Rauchwolken auf, und er hörte Kampflärm aus den Straßen unter ihm. »Reiten wir zum Palast?«, fragte Shondareth.
»Ja«, erwiderte Tauric. »Zum Palast.«
Atroc hastete durch eine Seitenstraße zwischen hohen Mietskasernen hindurch und versuchte, zu den verbarrikadierten Straßen nördlich des Kapitänsweges zu gelangen, wo Yasgur mit zweitausend Kriegern den Feind aufhielt. Die Gasse war eine dunkle, stinkende, schlammige Schlucht, aber sie war schmal und wurde deshalb von Fremden leicht übersehen, zum Beispiel von den Soldaten des Schattenkönigs. Außerdem verlief sie parallel zu der Hauptstraße, die an den Kaiserlichen Kasernen vorbeiführte, und mit etwas Glück würde er die Königinnenbrücke und den Treidelpfad erreichen, ohne ein zu großes Risiko einzugehen.
Ah, aber das Leben selbst schafft Risiken, rief sich Atroc ins Gedächtnis und trat vorsichtig über den Leichnam eines Soldaten. Hätte die Zwischenwelt gewollt, dass wir ein sicheres Leben führen, würden wir in Muscheln auf dem Grund der Flüsse hausen …
Die Gasse mündete in eine breite, graue Straße, über die der Schnee fegte. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine weitere Einmündung zu erkennen, aber als Atroc vorsichtig hineinspähte, bemerkte er eine Patrouille aus Maskierten, die rasch näher kam. Vorsichtig drückte er sich um die Ecke, lief halb geduckt zu einem Durchgang und wandte sich nach Westen. Hinter der nächsten Ecke lag die Terrasse eines Händlerhauses, die zum Platz der Klingen führte, und falls dieser verlassen war, fand er sicher einen anderen Weg zum Fluss.
Wo ich mir eine nette, sichere Muschel suche …
Als er um die Ecke bog, bot sich ihm jedoch ein Anblick, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Von der Stadtmauer nördlich des Schild-Tores sprangen große, weiße Pferde in eleganten Sätzen von Dach zu Dach und näherten sich dem Platz der Klingen. Atroc blieb einen Moment wie gelähmt von Furcht und Faszination stehen, lief dann weiter und kauerte sich zwischen zwei Büsche, um diese Kreaturen zu beobachten. Er glaubte, seine Traumvision von der Woge der Pferde würde wahr. Dann bemerkte er die kleinen Hörner auf den Schädeln der Tiere und sah, dass nur eines von ihnen einen Reiter trug …
Schreie und ein gequältes Kreischen drangen aus dem Wachhaus des mächtigen Tagfrieds, der dem Platz der Klingen gegenüber lag. Das Haupttor öffnete sich ein Stück, und eine einzelne Gestalt taumelte heraus. Sie umklammerte mit beiden Händen einen Langdolch. Atroc brauchte einen Moment, bis er in dieser Person Nerek erkannte, die ziellos umherzuirren schien. Die meisten der weißen Pferde trabten mittlerweile auf den Straßen nördlich des Palastes, das Ross mit dem Reiter auf seinem Rücken jedoch landete in der Nähe des Platzes der Klingen und galoppierte zu der verwirrten Nerek. Der Reiter war Tauric, und Atroc fühlte eine solche Erleichterung, dass er aufsprang und zu ihnen beiden eilte.
In diesem Moment erblickte Nerek Tauric auf dem Hengst, schrie laut auf und sank in den Schnee. Tauric hastete zu ihr, stieg ab und hockte sich neben sie. Was dann geschah, überrumpelte Atroc vollkommen. Nerek
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