02 - Schatten-Götter
Instruktionen ins Gedächtnis und erzeugte mit der Macht der Erden-Mutter zwei Zauber. Der eine brach die Ketten, welche den Käfig hielten, der andere reflektierte die zurückschlagenden Kräfte.
Als die Zauber beendet waren, fügte Suviel noch eine Verfeinerung zum Kettenbrecher-Bann hinzu, der seine Befreiung einige Sekunden verzögern würde, damit sie sich in einer anderen Kammer verstecken konnte.
Sie trat zurück und betrachtete ihre Arbeit. Der Kettenbrecher-Bann schwebte über dem Käfig, eine kleine, schwarze Kugel, von der dunstige Tentakel zu den vier schweren Ketten führten. Der Rückschlagzauber hing unter der hohen Decke, ein grobes, transzendentes Oval, von dem sich ein blasses Netz über die steinernen Mauern erstreckte.
Es war Zeit. Mit einem einzigen Gedanken löste sie den ersten Bann aus und hastete aus der Kammer. Sie wollte zur Treppe zurückeilen. Doch drei Akolythen standen im Flur vor der Vorkammer und diskutierten miteinander, also lief sie den Flur in die andere Richtung entlang. Sie hatte vielleicht ein Dutzend Schritte zurückgelegt, als sie hörte, wie sich der Kettenbrecher-Bann in einem Auflodern der Niederen Macht ausführte, das durch ihre sämtlichen Sinne zuckte. Einen Moment später ertönte ein gewaltiges Krachen, und die Zerstörung der Schutzzauber ließ den Stein vibrieren und raubte Suviel einen Moment die Orientierung.
Hinter ihr ertönten laute Schreie und Türen flogen auf. Panisch bog sie in einen leeren, unbeleuchteten Seitengang ab, der jedoch vor einer soliden Türe endete, die mit einem sehr komplizierten Schloss gesichert war. Sie brauchte nur wenige Sekunden, um den Mechanismus zu öffnen, schlüpfte hinein und verschloss die Tür fest hinter sich. In der Kammer war es stockdunkel, doch ihre Magiersicht enthüllte ihr die Umrisse. In einer Ecke waren Trümmer aufgehäuft, daneben standen Tische, auf denen zerbrochenes Steinzeug lag, sowie Kerzenstumpen und zerrissene und schimmelnde Pergamente. Fast in der Mitte des Raumes erhoben sich vier Pfeiler. An zwei von ihnen waren Männer angebunden, die jeweils auf einem durchgesägten Fass saßen. Beide trugen eine Augenbinde und waren mit Lederriemen an den Schultern, den Hüften, Schenkeln und Waden gefesselt. Sie schienen beide bewusstlos zu sein, bis einer von ihnen den Kopf hob.
»Ist… da jemand?«, fragte er schwach.
Suviel erstarrte in namenloser Angst, als sich ihr verworrenes Gedächtnis an Einzelheiten einer Gefangenschaft in vollkommener Schwärze erinnerte, und sie ahnte, dass sie selbst einmal vor ihrem Tod an einem sehr ähnlichen Ort eingekerkert gewesen sein könnte.
Sie drehte sich zur Tür um, und die weiche Sohle ihres Stiefels schabte über den Boden.
»Wer ist da?«, wiederholte der Mann.
Diesmal klang seine Stimme klarer und kräftiger und löste eine verzweifelte Hoffnung in Suviel aus, die mit Furcht rang.
Der andere Mann rührte sich ebenfalls. »Was… Was sagst du?«
»Es ist jemand hier«, erklärte der erste. »Aber sie sagen nichts.«
»Ach wirklich? Vermutlich nur ein neuer Feind, der gekommen ist, um die Gefangenen zu verhöhnen …« Suviel ging zur Tür, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als sie wahrnahm, dass jemand in ihrem Weg saß, etwas, eine Kreatur, die so schwarz war wie der Raum und deren großer, ungeschlachter Schädel fast bis zu ihren Schultern reichte.
Suviel Hantika,
flüsterte das Wesen heiser in ihrem Kopf,
erkennst du diese beiden Männer nicht?
Nein, ich … Doch, etwas in mir erkennt sie, erwiderte sie ebenfalls in Gedankensprache. Wer … bist du? Was bist du?
Ein Freund, der dich gesund und unversehrt sehen will.
Das Entsetzen übermannte sie, und die Sehnsucht nach dem Tal der Linderung erfüllte sie mit einer derartigen Intensität, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
Unversehrtheit… Daran habe ich kein Interesse, dachte sie. Ich brauche sie nicht.
Woher willst du wissen, was dich interessiert oder was du brauchst?,
konterte die Kreatur.
Es gefallt der Erden-Mutter, dich zu diesem armseligen, verwirrten Ding zu machen, das hier vor mir steht. Deine Unwissenheit und deine Furcht dienen nur ihren Zwecken!
Reinheit ist Reinheit, erwiderte sie hartnäckig. Reinheit erfordert reine Sicht.
In dem Fall, so fürchte ich, stimmt etwas mit deinen Augen nicht,
erwiderte die Kreatur sarkastisch.
Lass mich dir helfen …
Bevor sie etwas sagen oder tun konnte, durchfuhr Suviel eine heiße Flut von Gefühlen und Erinnerungen. Ihr freier Wille,
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