02 - Schatten-Götter
die Reisegefährten nach, die Suviel sich ausbedungen hatte. Atroc schien noch mehr gealtert, seit Mazaret ihn das letzte Mal gesehen hatte. Und auch sein Blick war finsterer, sardonischer. Mazaret konnte nachvollziehen, warum Suviel ihn für einen würdigen Bundesgenossen bei ihrer Aufgabe hielt, die Wahl ihres anderen Begleiters jedoch hatte ihn verblüfft und bereitete ihm wachsendes Unbehagen.
Byrnak saß einem Bären gleich in einen schwarzen Umhang gehüllt auf seinem Pferd, beugte sich tief aus seinem reich verzierten Sattel und blickte stirnrunzelnd über die Hügel auf die zerklüfteten Zacken des Bornberges. Mazaret hatte von Yasgur erfahren, wie Byrnak seine Armeen von Maskierten rekrutiert hatte, indem er zunächst Angehörige der Mogaun-Stämme als Wirte für die wiederauferstandenen, uralten Seelen gewann, und anschließend die Männer aus Städten und Dörfer im Norden entführte. Das erklärte, warum die Kriegshorde der Mogaun vor der Belagerung von Besh-Darok die Seite gewechselt hatte. Der kalte Hass in den Augen von Welgarak und Gordag, wenn ihre Blicke den einstigen Schattenkönig streiften, war nicht zu übersehen. Atroc dagegen betrachtete den ehemaligen Schattenkönig mit einem seltsamen, grimmigen Respekt und hatte Mazaret erklärt, wie Byrnak sein Fragment des Herrn des Zwielichts verloren hatte, bevor er ihn aus erster Hand von Taurics Tod unterrichtete.
Alles in allem entzündeten diese Berichte über die Belagerung Besh-Daroks und der damit verbundenen Tragödien ein glühendes Bedürfnis nach einer Schlacht in ihm, trotz der Schmerzen, die er immer noch in seiner Seite spürte.
Während Mazaret Byrnak beobachtete, richtete der sich im Sattel auf und schaute zu Suviel hinüber. Als er jedoch Mazarets eisigen Blick spürte, schlug er rasch, fast furchtsam, die Augen nieder. Das überraschte Mazaret, und heiße Wut durchströmte ihn, doch bevor er sein Pferd vorantreiben konnte, berührte jemand sanft seinen Schenkel. Suviel sah ihn mit einem liebenden Blick an. Seine Stimmung besänftigte sich, er stieg ab und umarmte sie.
»Mach dir keine Sorgen um Byrnak«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Es schlummert keine Gefahr mehr in ihm.« »Ich habe Furcht in seinem Blick gesehen.«
»Wir alle haben Angst, Geliebter.«
»Furcht ist der Keim des Hasses«, sagte er, ließ sich jedoch erweichen, als er ihren ruhigen, unnachgiebigen Blick bemerkte. »Nimmst du ihn deshalb mit?«
»Um zu spielen«, erwiderte sie. »Zu bluffen. Niemand kann wissen, was uns im Bornberg erwartet und wer den Brunn-Quell bewacht. Falls Byrnak sie davon überzeugen kann, dass er noch ist, was er einst war, wenn auch nur für eine kurze Zeit, könnte uns dies den entscheidenden Vorteil liefern, den wir benötigen.« Sie umarmten sich, ohne auf die anderen zu achten, und schlenderten ein Stück über den Kamm. »Der Gedanke, dass du dich dieser Gefahr aussetzt…«, begann Mazaret und zögerte. Es fiel ihm schwer, das Gefühl von Ohnmacht auszudrücken, das seine Gedanken zu ersticken schien. Suviel lächelte traurig und nickte. »Wenn wir unsere Pferde über diese düstere Ebene treiben, werde ich dasselbe von dir denken«, sagte sie. »Die Erden-Mutter durch dieses Reich des Ruchlosen zu verfolgen, und uns aller Gefahren zu erwehren, welche die Graue Eminenz dir entgegenschickt … Ich fürchte um dich.«
»Werden wir sterben, du und ich?« Er drehte sich langsam zu ihr um.
»Das weiß ich nicht, aber es ist wahrscheinlich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Die Zukunft ist ungeschrieben, und vieles kann in der Zeit passieren, die uns noch bleibt. Jedenfalls stehen wir in diesem Kampf nicht allein.« Mazaret wusste, dass sie auf den Geist des Vater-Baums anspielte und nahm den Unterton einer schwachen Hoffnung in ihren Worten wahr. Er wollte ihr ein Unterpfand seiner Liebe geben, griff in sein gepanzertes Koller und zog das kleine Pergament heraus, das er vor vielen Monaten in Khatris gefunden hatte. Nachdem Suviel ihn und Gilly aus dem Verlies der Akolythen befreit hatte, hatte er es in seiner Innentasche gefunden, ohne damals seine Bedeutung zu begreifen. Doch als seine Geistschatten einer nach dem anderen abgeschlachtet wurden, kehrte auch seine Erinnerung Stück um Stück zurück und enthüllte, was ihm verloren war. Suviel schien etwas verwirrt zu sein, als er ihr das Blatt gab, lächelte jedoch, während sie leise die Inschrift vorlas.
Von Zeit zu Zeit in Träumen, mein Liebster,
scheint es mir, als lägest du
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