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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Angelegenheit auf dem Laufenden halten werde.« Dann schlug er ohne einen weiteren Kommentar das Buch wieder auf.
    Damit war Alael entlassen. Sie unterdrückte ihre Empörung über das barsche Benehmen des Meisters und erhob sich von dem harten Stuhl.
    »Guten Tag Euch, Baas Onsivar. Ich freue mich bereits auf Euren ersten Beri…«
    Sie brach ab, als sie durch das Fenster eine Gruppe von Reitern sah, welche die Straße vom alten Kapellfort hinunter galoppierten. Das Kolleg von Hendreds Hallen stand zwischen einem Hügelkamm, auf dem die Kaserne am Kapellfort lag, und einem kleinen, steilen Berg, der als Park diente. Die Kammer des Meisters der Sprachen lag so weit oben, dass man von ihr aus die verschneite Straße sehen konnte, die sich von der Kaserne hinabschlängelte, bis sie schließlich um eine Ecke im Westen verschwand.
    Es mochten vielleicht zwanzig mit Winterumhängen gegen das Wetter geschützte Reiter sein, die auf großen, kräftigen Pferden saßen. Ihr Anführer erregte Alaels Aufmerksamkeit, ein stattlicher, grauhaariger Mann, der kerzengerade im Sattel saß. Als sie ihn genauer in Augenschein nahm, überkam sie ein vertrautes Prickeln, und sie hatte plötzlich einen kalten, scharfen Geschmack im Mund. Der Duft von satter Erde, süßen Beeren und Eis aus reinem Bergquellwasser, die Aromen des Reiches der Erden-Mutter tränkten ihre Sinne, als die Göttin sich in ihr rührte und sich ihres Blickes bemächtigte. Die Entfernung zu den Reitern schmolz, und das Gesicht des Anführers rückte näher, bis Alael die Gesichtzüge von Ikarno Mazaret erkannte.
    Eine schweigende Genugtuung durchdrang sie, doch im nächsten Moment war die unbeschreibliche Wesenheit verschwunden. Alael fühlte sich schwach und benommen, legte zitternd eine Hand auf das hölzerne Geländer und versuchte, ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen.
    Vor gerade vier Tagen war Lordregent Mazaret mit einer Karawane von Flüchtlingen aus Khatris zurückgekehrt. In den Tavernen und Schänken wurden die dramatischen Geschichten von einer Schlacht gegen wandelnde Leichen und geflügelte Untiere weitergegeben. Schon bald war auch das Gerücht aufgekommen, eine Mogaun-Hexe habe Mazaret dem Tod geweiht. Nachdem Alael von Bardow die Wahrheit erfahren hatte, konnte sie nur über das Ziel von Mazarets Expedition spekulieren und hoffte, dass er irgendeiner unbedeutenden Aufgabe nachging …
    »Lady Alael? Ist Euch unwohl?«
    Sie sog tief die staubige, nach Büchern riechende Luft ein und zwang sich zu einem Lächeln. »Nein, Baas Onsivar. Nur ein kurzer Schwindelanfall, nichts weiter.«
    »Verstehe. Wenn Ihr in das Vorzimmer zurückkehrt, wird mein Verwalter Euch gern hinausgeleiten.« Alael knirschte mit den Zähnen. »Meinen ergebensten Dank, Baas«, sagte sie und eilte hinaus. Dabei überlegte sie, wie rasch ihre Kutsche sie zum Palast zurückbringen konnte.
    »Jetzt solltest du die Niedere Macht als eine Art Druck in deiner Brust spüren, fast wie eine Spannung.« Nerek war beunruhigt, denn sie fühlte diesen Druck bereits seit fast fünf Minuten, nachdem sie sich auf die kalte Steinbank gesetzt und ihre behandschuhten Hände im Schoß gefaltet hatte. Sie nickte kurz, und die Blinde Rina lächelte. Sie war eine kleine, zerlumpte Frau, deren Kopftuch wie auch die unförmigen Roben und der zerkratzte Gehstock den Eindruck einer alten Marktfrau erweckten. Ihre dunklen, fast schwarzen Augen jedoch ließen etwas anderes ahnen.
    »Gut«, sagte sie, als könne sie Nereks Unbehagen wahrnehmen. »Wärst du als Siebenjährige zu mir gekommen, wäre es weniger, sagen wir, anstrengend.«
    »Ich durfte nie das Vergnügen erleben, sieben Jahre alt zu sein«, versetzte Nerek knapp. »Können wir fortfahren?«
    »Verlängere deinen Atemrhythmus noch ein wenig. Er muss in einem ruhigen, natürlichen Fluss kommen und gehen … So ist es richtig.«
    Die Luft strömte in ihre Lungen und wieder hinaus, als wäre sie ein Gefäß, das sich füllte und leerte. Ruhe breitete sich in ihr aus, aber ihr Bewusstsein schien von ihrem Körper getrennt zu sein und darauf zu warten, ihn betreten zu können. Sie atmete weiter. Die Blinde Rina saß neben ihr auf der glatten Steinbank, die in eine Seitenstrebe einer der Hauptstützen der Königin-Brücke hineingehauen worden war. Direkt hinter ihnen führte ein hölzerner Steg an der Brücke entlang, der den Fußgängern eine sichere Passage bot. Von der Stelle aus, an der sie saß, konnte sie nach Norden an dem sanft geschwungenen

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