02 - Schatten-Götter
Ängste und Zweifel schienen gedämpft zu sein … Sein Blick glitt von seinen gefalteten Händen zu dem Himmelspferd-Priester, dem ehemaligen Waffenmeister. Er sah, dass der Mann aus den Augenwinkeln nach Westen schielte und etwas am Boden in der Nähe der Westmauer beobachtete. Schließlich knurrte der Priester befriedigt und drehte sich wieder um. »Bitte, Ihr könnt Euch alle erheben und ankleiden.«
Trotz des friedlichen Augenblicks war Tauric dankbar, dass er wieder aufstehen konnte. Während die anderen husteten, kämpfte er gegen einen kurzen Schwindel an und streifte sich rasch das dicke Hemd und das Wams über. Nachdem er sich fröstelnd in seinen Mantel gehüllt hatte, ging er zu dem Himmelspferd-Priester, der an der Wand lehnte und wieder hinausspähte. »Guter Priester«, sagte er. »Waren unsere Anbetungen ehrerbietig genug?«
»Majestät«, erwiderte der Priester, »ich kann keinen Fehler in Euren Gebeten finden. Ihr befindet Euch wahrlich auf dem Pfad zur Erleuchtung und zur Macht.«
Tauric nickte erleichtert und folgte dann dem Blick des Priesters über die Stadtmauer hinaus. Eine Kolonne Ritter galoppierte gemessen aus dem Schild-Tor. An ihrer Spitze flatterte eine Standarte mit einem Baum und gekreuzten Zeptern.
»Ist das nicht das Banner des Lordregenten?«, fragte er.
»Soweit ich weiß, hat Lordregent Mazaret eine Anzahl von Rittern ausgeschickt, um die Südwestlichen Gebiete zu kontrollieren, Majestät«, erwiderte der Priester schnell.
»Aber warum gibt er ihnen sein eigenes Banner mit?«
»Vermutlich nur eine List, um die elenden Briganten abzuschrecken, Majestät«, sagte der Priester. »Und jetzt, denke ich, ist es Zeit herauszufinden, ob Ihr alle die Feierlichen Fürbitten an die Ewige Flamme geübt habt…« Tauric unterdrückte ein Stöhnen und zog den Umhang wieder aus.
Die Reiterkolonne war eine halbe Stunde von Besh-Darok entfernt und trottete in Richtung Südwesten über die breite, von Bäumen gesäumte Torrillen-Chaussee, als der Marschhauptmann Mazaret Neuigkeiten überbrachte. »Ein einzelner Reiter nähert sich, Mylord.«
Mazaret nickte. »Bringt ihn zu mir.«
Der Neuschnee hatte die Torillen-Chaussee in eine gerade, weiße Schneise verwandelt, die durch die kahlen Bäume der Peldari-Pflanzungen führte. Ikarno betrachtete skeptisch die gefrorene Allee, als der Neuankömmling im Galopp heranritt, sein Ross zügelte und an Mazarets Seite lenkte. Unter den schäbigen braunen Roben steckte Yasgurs alter Seher und Berater.
»Seid gegrüßt, Atroc«, sagte Mazaret. »Seid Ihr auf Geheiß Eures Herren hier, oder habt Ihr Euch nur verirrt?« »Nein, Mylord. Ich jage der Wahrheit hinterher und wurde von schwachen Andeutungen vorangetrieben, dem gemunkelten Gerücht, dass der Erlauchte Lordregent sich aufgemacht habe, um in sein Verderben zu reiten. Kann das denn stimmen, Herr?«
»Von welchem Verderben redest du?« Noch während er das sagte, schwoll der leise Zweifel, dessen Flüstern seit Tagen stärker geworden war, zu einem Chor in seinen Gedanken an.
Atroc beugte sich zu ihm herüber. »Die weiße Frau, Mylord. In den Schänken und Garküchen der Stadt munkelt man von einer Mogaun-Hexe, die Euch ein finsteres Schicksal vorhergesagt hat.« Der alte Mann schnaubte verächtlich. »Es sind ihre Worte, die Euch hinauslocken, Worte, die nur an Euch gerichtet waren, Haken, die Euch in den Rachen einer unbekannten Gefahr ziehen sollen.«
Nein, keine Haken, dachte Mazaret grimmig. Wie tödliche Pfeile haben sich diese Worte in mein Herz gebohrt und ein Gift verspritzt, das meine Seele auffrisst. Meine Geliebte hat ein entsetzliches Schicksal erlitten. Wie könnte ich da tatenlos bleiben?
Aber er behielt diese Gedanken für sich und schüttelte den Kopf. »In Sichtweite von Besh-Darok treiben Übeltäter ihr Unwesen, Meister. Gehöfte werden überfallen, Häuser niedergebrannt und Unschuldige ermordet. Wir ziehen aus, um diesen Plünderungen Einhalt zu gebieten. Ich bin nur hier, um den Sturm in meinem Inneren zu lindern, Atroc, nicht um mein Schicksal herauszufordern.«
Aus der groben, zerfetzten Kapuze musterten ihn dunkle Augen. »Vergebt mir meine offenen Worte, Mylord, aber ich glaube Euch nicht.«
»Es kümmert mich nicht, was Ihr glaubt«, gab Mazaret scharf zurück. »Wie schwer meine Gram auch wiegen mag, ich werde nicht einfach mein Leben wegwerfen. Es kostete uns einen langen, schweren Kampf, um bis hierher zu gelangen, und die größte Schlacht steht uns noch
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