02 - Schatten-Götter
über die Halle der Schmiede hinausblickte. Das hintere Ende der Kammer war in große Räume unterteilt, die der Untersuchung und Bestätigung des Erzes vorbehalten waren. Ein breiter Flur führte an ihnen vorbei zu Kodels privaten Gemächern. Kodel selbst stand vor einem der mit Papieren übersäten Zeichentische. Er trug sein Haar jetzt kürzer, jedoch nach wie vor in der Manier eines Kriegers auf dem Kopf geknotet, was ihm ein wildes Aussehen verlieh. Sein langer Mantel bestand aus rauem, braunem Leder und war von vielen schwarzen Brandflecken übersät.
»Warum wolltest du mich sehen?«, fragte Byrnak. »Um mir zu sagen, dass die Produktion von Waffen und Rüstungen wie geplant voranschreitet, hoffe ich?«
Kodel lächelte listig. »Das wäre tatsächlich der entscheidende Punkt, aber mir ist noch etwas anderes aufgefallen. Komm mit mir Bruder, wenn du die Güte hättest.«
Byrnak war wegen der Geheimniskrämerei des anderen verstimmt, folgte ihm jedoch dennoch über den breiten Korridor zu einer Abzweigung, an der Kodel eine Tür zur Linken öffnete und in den Raum dahinter trat. Ein kurzer Tunnel führte auf das flache Steindach eines angrenzenden Tempelgebäudes. Es war erst am Morgen vom Schnee geräumt worden, aber eine dünne weiße Schicht hatte sich seitdem wieder darüber gelegt. Aus dem Osten fegte ein eisiger Wind heran. Einige Metallrahmen, deren Form an Spinnen erinnerte, standen auf beiden Seiten des Daches, jeder mit einer komplizierten, von Drähten gehaltenen Anordnung von Linsen, die in den Vormittagshimmel gerichtet waren. An allen hingen Eiszapfen. Kodel ignorierte sie jedoch und ging zu einem sechseckigen Baldachin in der Mitte des Daches. Darunter lag eine Gestalt regungslos auf einer aufgebockten Tischplatte.
Während sie sich näherten, bemerkte Byrnak zuerst die groben Verbände um die fürchterlichen Verletzungen, bevor er die Gesichtszüge des Mannes erkannte.
»Azurech«, murmelte er.
Als der frühere Kriegsherr seinen Namen hörte, pendelte sein Kopf schlaff auf eine Seite, um den Sprecher anzusehen. Bei Byrnaks Anblick verzerrte sich seine Miene vor dumpfer Furcht.
»Gebieter, vergebt mir, ich habe versagt…«
Unter dem sechsseitigen Baldachin war es wärmer und ruhiger. Kodel hatte für etwas Behaglichkeit gesorgt, um die Kälte und den permanenten Lärm der Schmieden auszuschließen. Byrnak antwortete nicht auf Azurechs Gestammel, sondern schaute statt dessen Kodel fragend an.
Kodel zuckte mit den Schultern. »Er wurde vor einigen Tagen von zwei Nachtjägern von einem Schlachtfeld in Khatris gerettet, die ihn zu unserem Stützpunkt in den Gorodar-Bergen, westlich von hier trugen. Weiter wollten sie ihn nicht tragen, also hat der dortige Kommandeur seine Wunden verbinden lassen und ihn auf einem Karren hierher geschickt. Er ist vor kurzem eingetroffen, und ich habe ihn von einem unserer Nachtjäger hier heraufschleppen lassen.«
»Ich habe versagt… habe Euch im Stich gelassen, Gebieter…«, sabberte Azurech.
»Wie konnte das geschehen, Azurech?«, fuhr Byrnak ihn an. »Gegen wen hast du gekämpft?« »Mazaret… diesen grauhaarigen, alten Mann …«
»Schon wieder, hm?«
»Schickt mich zurück, Gebieter, ich flehe Euch an. Macht mich stark und schnell, und ich bringe Euch seinen Kopf…«
Byrnak beugte sich vor. »Gut. Ich werde dich noch einmal heilen, Azurech. Aber meine Pläne bezüglich Ikarno Mazaret sehen mitnichten seinen Tod durch deine Hand vor.«
»Ah, die weiße Frau.«
Byrnak rief die Macht des Brunn-Quell an, formte sein helles, smaragdgrünes Feuer zu feinen Linien und gezackten Strängen, die er um den verwundeten Mann legte.
»Wappne dich«, befahl er. »Es wird schmerzhaft sein.«
Azurech stieß einen einzigen, kreischenden Laut aus, bevor er ohnmächtig wurde. Während sein Wille das Quellfeuer steuerte, musterte Byrnak aus den Augenwinkeln Kodel, der ihn fasziniert beobachtete. »Gibt es Neuigkeiten von deinem Spion in Besh-Darok?«
»Von welchem?«, antwortete Kodel, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Byrnak lächelte. »Irgendwie ist es dir gelungen, deinen Diener wieder in den Palast einzuschleusen, und jetzt hat er sich die Gunst des jungen Tauric erschlichen…«
»Der Junge glaubt, der Waffenmeister wäre ein Priester des Himmelspferdes«, erwiderte Kodel, gereizt, weil Byrnak davon wusste. »Und er sehnt sich so verzweifelt nach eigener Macht, dass er und seine engsten Gefolgsleute den Glauben des Himmelspferdes angenommen
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