02 - Schatten-Götter
bevor. Ich werde da sein und mein Schwert bereithalten, das versichere ich Euch!«
»Hm… In einer Schlacht, die Ihr schon verloren glaubt?«, konterte Atroc.
»Was!« Mazaret brüllte nun fast vor Arger. Sein Pferd scheute, und er musste es mit einem besänftigenden Klopfen auf den Hals beruhigen.
Atroc zuckte mit den Schultern. »Wer könnte es Euch verdenken? Wir haben es mit einer bösen Macht zu tun, die in ihrem brutalen Feldzug weder nachlassen noch innehalten wird, um die Wehrlosen zu schonen. Hoffnung das ist die Eitelkeit der Blinden und Unwissenden.«
Mazaret knirschte mit den Zähnen.
Ich lasse mich nicht von deinesgleichen aufhalten!
Er atmete tief durch, bevor er antwortete. »Da Ihr so davon überzeugt seid, dass alles verloren ist, müsst Ihr doch begierig darauf sein, mich meiner Narretei zu überlassen. Vielleicht sollte ich einige meiner Ritter abkommandieren, die Euch zur Stadt oder gleich zum Hafen eskortieren. Ich bin sicher, dass dort einige Fernhändler liegen, die nach Keremenchool segeln und bereitwillig Passagiere an Bord nehmen.«
Atroc lächelte wölfisch. »Ach, so schlimm ist Eure Gesellschaft gar nicht, Mylord. Ich ziehe es vor, noch ein bisschen mit Euch zu reiten.«
Mazaret verkniff sich mühsam einen Kommentar, und sie ritten in gespanntem Schweigen weiter. Die Torillen-Chaussee war eine neun Meilen lange Straße, die von Magsar, einem Schreindorf unmittelbar vor Besh-Darok nach Südwesten bis zum Jontossee führte, der von den vielen Flüssen gespeist wurde, die aus dem Buckelgurt kamen. Die breite Straße war mit verschiedenen Steinen gepflastert, mit Feldsteinen und zu Mustern gelegten Blöcken aus Eisenholz, die zum größten Teil unter dem Schnee und dem halb gefrorenen Schneematsch verborgen lagen. Von der Chaussee gingen Knüppelwege und andere Abzweigungen ab, und da sie eine solide gebaute Durchgangsstraße nach Besh-Drok war, wurde sie häufig von Bauern und Händlern, Boten und Patrouillen benutzt, und auch die Vertriebenen zogen hier entlang.
An diesem frühen, eiskalten Nachmittag herrschte nur wenig Betrieb, aber die Ritter blieben trotzdem in einer schmalen Zweierreihe. Die Wintersonne hatte gerade ihren Zenit überschritten, doch hohe Federwolken schwächten ihr Licht zu einem weißen und kraftlosen Leuchten ab. Zu beiden Seiten der Straße hing der Nebel in den kahlen Bäumen, und die Reiterkolonne wirkte eingehüllt in die grauen Atemwolken von Mensch und Tier beinahe wie ein Begräbniszug. Diese Betrachtung passte zu Mazarets düsterer Stimmung, während er an ihrer Spitze ritt. Atroc hatte sich neben Barik, Mazarets Marschhauptmann, zurückfallen lassen und unterhielt ihn mit einigen der alten Stadtlegenden, die Mazaret einst zu Füßen seiner Mutter sitzend gehört hatte. Barik war der Sohn eines Hufschmiedes aus Ost-Cabringa, und infolgedessen waren ihm die Sagen der Kaiserstadt neu. Doch dann verdüsterte sich Mazarets Laune, als der alte Seher anhub, die Geschichte der Torillen-Chaussee zum Besten zu geben.
»Vor dreihundert Jahren wurden die Kronlande von Kaiser Hasil regiert. Er war erst neunzehn, als er den Thron bestieg. Kurz nach seiner Krönung lernte er die wunderschöne Torilli kennen und verliebte sich in sie. Sie war die Tochter eines der Stadtbarone. Sie war jünger als der Kaiser und noch zwei Jahre vor ihrer Mündigkeit, aber Hasil verschwor sich ihrer zukünftigen Verbindung mit Leib und Seele. Dann befahl er seinen Architekten, eine große Chaussee für ihren Hochzeitszug zu bauen, mit einem Festpavillon am Ende …«
Mazaret kannte den Rest der Geschichte nur zu gut. Hasils zukünftige Braut erlag einem Fieber, nur einen Tag vor ihrer Volljährigkeit, und der Hochzeitspavillon wurde zu Torillis Mausoleum. Der junge Kaiser war überwältigt von Trauer, verließ die Gemächer in seinem Palast und schlief auf dem gefliesten Boden des Mausoleums neben dem Sarkopharg seiner Geliebten. Hasils Trauer währte zehn Jahre. In dieser Zeit verlor er immer mehr Macht an einen Kreis von Höflingen, deren Intrigen und Querelen das Kaiserreich beinahe in die Knie zwangen. Nur seine Abdankung zugunsten seines jüngeren Bruders verhinderte einen furchtbaren Bürgerkrieg.
Eine Parabel, dachte Mazaret gereizt. Eine nette kleine Geschichte, die meine Narretei illustrieren und mich so beschämen soll, dass ich den Schwanz einziehe und in die Stadt zurückreite. Nein, Meister Barde, nicht mit mir … Mazaret stellte sich in die Steigbügel, erhob eine
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