02 - Schatten-Götter
musterte seine drei Ritter, sah ihre ernste Bereitschaft und blickte dann Atroc an.
»Mein Entschluss steht fest, Seher«, erklärte er. »Ihr könnt uns folgen, wenn Ihr wollt.«
»Mir wäre es lieber, Ihr folgtet meinem Rat, Mylord.«
»Ich denke, Euer Scharfsinn dürfte mir genügen.«
Der ältere Seher warf ihm einen undurchdringlichen Blick zu und lachte leise. »Wahrlich, Ihr versteht es, Männer zu führen, Mylord. Aber in den Wahnsinn?«
Mazaret gab nicht nach. »Wie Ihr wollt. Aber sorgt dafür, dass Ihr Prinz Yasgur nach Eurer Rückkehr einen vollständigen Bericht gebt.«
»Das werde ich, Mylord«, gab Atroc zurück. »Doch erst, nachdem ich den Ausgang dieses Scharmützels beobachtet habe.«
Seltsamerweise beruhigten Mazaret die Worte des Mannes. Er akzeptierte Atrocs Entscheidung mit einem knappen Nicken, wendete sein Pferd nach Norden, gab ihm kurz die Sporen und galoppierte mit den anderen im Gefolge los. Er roch den feuchten, eisigen Nebel, aber es lag noch ein anderer Geruch in der Luft, ein schwacher Duft nach trockener Erde, nur staubiger und schärfer. Als sie den Hang erreichten, über den der Feind vor kurzem noch geritten war, fiel ihm auf, wie wenig Schnee dort lag, und dass schwache Dampfschwaden vom Boden aufstiegen. Auf dem Kamm des Hügels war der Schnee vollkommen geschmolzen, und die winterblassen Grasbüschel glänzten von Tau.
Atroc stieg ab, kniete nieder und legte die Hand auf die Erde. »Zu warm.« Mehr sagte er nicht, als er wieder in den Sattel stieg.
Mazaret trieb sein Pferd die andere Seite der Anhöhe hinab. Zu ihrer Linken erhob sich das steinerne Vorgebirge des Quem, von dessen Flanke die Blauaxt-Klamm abging. Sie war eine blanke, schwarze Wand, die sich mehr als eine Viertelmeile erstreckte, bevor sie in den abgerundeteren Höhenzug des Greylock überging. Am Fuß der Klamm lag eine weite, flache Senke, deren Seiten von den beiden Flanken des Hügels begrenzt wurden. Der Boden wirkte morastig, und Mazaret erblickte mehrere Schmelzwasserbäche, welche in die Mitte der Senke strömten, während über dem dampfenden Boden ein schwerer, feuchter Nebel hing.
Als sie im Galopp in die Senke ritten, sah Mazaret an ihrem anderen Ende eine einzelne Gestalt aus einer Kerbe in der Flanke des Greylock steigen. Er musterte kurz seine Umgebung, bemerkte jedoch keine Anzeichen eines feindlichen Hinterhaltes. Allerdings konnte sich in einem solch dichten Nebel leicht eine Vielzahl von Feinden verbergen. Die Gestalt ging den Fuß der Klamm bis zu ihrer Mitte entlang, blieb dort stehen und wartete, während die Ritter näher kamen. Mazaret runzelte die Stirn, und als sie den Mittelpunkt der morastigen Senke erreichten, ließ er anhalten.
»Ihr bleibt hier, während ich zu dieser Person reite und so viel wie möglich in Erfahrung bringe«, erklärte er. »Sollte ich Hilfe benötigen, hebe ich mein Schwert in die Luft.«
»Falls Ihr unsere Hilfe benötigen solltet, Mylord«, versetzte Atroc trocken, »sind wir vermutlich selbst ebenfalls auf Hilfe angewiesen.«
»Ihr seid meine Augen«, fuhr Mazaret fort. »Falls feindliche Angreifer erscheinen, pfeift mehrmals laut.« Die dunklen Augen des Sehers verrieten, wie wenig ihm Mazarets Vorhaben gefiel, doch Mazaret ignorierte Atroc einfach, wendete sein Pferd und ritt weiter. Dies hier konnte er nur allein tun. Er hatte bereits gesehen, dass die Gestalt in den weißen Roben entfernt weiblich aussah. Handelte es sich wahrhaftig um Suviel oder nur um ein verderbtes Fragment ihres Geistes? Und falls es letzteres war, konnte er dieses Wissen ertragen? Dann erinnerte er sich an etwas, was sie einmal gesagt hatte. »Sie können nicht alles beschmutzen, denn sie können nicht alles vollbringen.« Die Erinnerung an ihre Worte wärmte ihn ein wenig, bis Sekunden später eine kalte, verlockende Stimme in seine Gedanken drang.
»Ich wusste, dass du kommen würdest.«
Sehnsucht, gepaart mit Angst, durchfuhr Mazaret, aber er ritt unbeirrt weiter.
»Schon bald wirst du an meiner Seite sein und mich nie mehr verlassen …«
Er zügelte sein Pferd einige Meter von ihr entfernt, stieg mit gemessenen Bewegungen ab und schlang die Zügel um den Sattelknauf, bevor er sich der Frau zuwandte, die bis in die kleinste Einzelheit Suviel Hantika glich. Er wappnete sich, ging auf sie zu und blieb zwei Schritte vor ihr stehen. Das war nah genug für eine prüfende Musterung und weit genug entfernt, um in Sicherheit zu sein.
»Wie geht es Gilly? Und Bardow …
Weitere Kostenlose Bücher