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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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wie kommt er mit dem alten Seher zurecht, mit dem Yasgur sich umgibt?«
Er betrachtete den Schwung von Nase und Mund, die Bewegungen der Lippen, die Form der Ohren, der Wangenknochen und des Kinns, und fand keinen Fehler. Nichts war anders.
    »Und Tauric? Die Kaiserkrone muss für ihn solch eine schwere Bürde sein. Spricht er von mir?«
Ihr Haar war lang und vollkommen weiß, aber es waren die Augen, die sie verrieten. Sie waren eisgrau, seelenlos und grausam. Er drehte sich um und ging zu seinem Pferd zurück.
    »Warte! Geliebter, erinnerst du dich nicht an unsere letzte gemeinsame Nacht? So kann es wieder sein …!«
Er fuhr wütend herum. »Du bist nicht sie!«, stieß er hervor. »Sie hätte niemals ihre engsten Freunde unserem erbittertsten Feind ausgeliefert. Es ist
nichts
von ihr in dir!« Er konnte die Tiefe seiner Verachtung nicht verbergen, und der Geistschatten wich etwas zurück. »Ich weiß nicht, was du bist, etwas, das in einem Spiegel gefangen wurde vielleicht, um herumzustolzieren und die mörderische Gefährlichkeit deines Herren kundzutun. Du bist nichts als eine hohle Täuschung!«
    Der Geistschatten knurrte vor Wut.
»Ich meinte es ernst, als ich sagte, dass du nie wieder fortgehen wirst!«
Die morastige Erde unter seinen Füßen erzitterte plötzlich. Angst überkam ihn, und er wollte weglaufen. Doch bevor er sein erschrecktes Pferd erreichte, bebte der Boden heftiger. Er stolperte und stürzte hin. Sein Pferd sprang panisch zur Seite und galoppierte wie von Furien gehetzt davon. Während er versuchte aufzustehen, sah er, wie Atroc und die anderen Ritter sich ihrerseits mühten, ihre erschreckten Pferde unter Kontrolle zu halten. In dem Boden unter Mazaret rumorte und knirschte es, während die kalte Stimme des Suviel-Schattens unaufhörlich weiterflüsterte. Zärtlichkeiten und Versprechungen wechselten sich mit boshaften Flüchen ab, während aus dem Inneren des Hügels ein Ächzen drang, das Mazaret den Verstand zu rauben drohte.
»Wir sind mit Schwertern gekommen, um das alte Land und seine ganze nutzlose Vergangenheit abzuschneiden. Die Welt wird ein neues Gesicht erhalten …«
    Ein weiterer gigantischer Stoß erschütterte die Erde, und als Mazaret sich umdrehte, sah er, wie der Geistschatten dreißig Zentimeter hoch in der Luft schwebte, der Klamm zugewandt und die gelenkigen Arme und Hände weit ausgestreckt. Blanker Hass überwältigte seine Furcht, und er griff nach seinem Schwert, um den Schatten niederzustrecken. Doch bevor er sich ganz von den Knien erheben konnte, hörte er um sich herum ein scharfes Knacken, und er sah entsetzt große Risse über die steile Felswand der Blauaxt-Klamm zucken. Er schrie auf, als massive, mit Moos bedeckte Felsbrocken abbrachen und herabfielen. Große Splitter sausten wie Speere durch die Luft, während breite Platten hinabglitten und auf dem Boden in Wolken von pulversiertem Steinstaub und Dreck zerbarsten. Dieser katastrophale Steinschlag erstreckte sich über die ganze Länge der Klamm, und selbst die Hügel an ihren beiden Enden schienen auseinander zu brechen. Eine riesige, steinerne Zacke bohrte sich nur wenige Meter von Mazaret entfernt in die Erde. Er wollte auf Händen und Knien wegkriechen, als ein Felsbrocken von der Größe eines Hauses durch die Luft direkt auf ihn zusegelte. Er stammelte die ersten Worte eines Gebetes an die Erden-Mutter und sah hilflos mit an, wie sein unausweichlicher Tod auf ihn zuraste …
    Ungläubig verfolgte er, wie dieses gewaltige Bruchstück, dessen zerklüftete Einzelheiten sich in sein Gehirn eingruben, plötzlich zur Seite geschleudert wurde, dicht an ihm vorüber flog und sich in die mit Trümmern übersäte Erde bohrte.
    »Kein Tod für dich, Geliebter«,
höhnte die eisige Stimme wieder.
»Keine dunklen Tiefen, kein ruhiger Fluss im Reich der Erden-Mutter. Ein neuer Traum erwartet dich.«
    Der Geistschatten lächelte ihm von seiner luftigen Position aus zu und spreizte die Arme, während die Windungen und Falten seines blassen Gewandes sanft um die Gestalt herwehten. Mazaret hockte mitten in dem brüllenden Chaos und beobachtete, wie eine Reihe von gezackten Felsbrocken hinter ihm und dem Suviel-Schatten wegbrach. Bei jedem Dröhnen hämmerte ihm das Herz in der Brust. Doch mitten in der trügerischen Sicherheit, in der er sich befand, stieg langsam etwas Ungeheures aus der zerborstenen Flanke der Blauaxt-Klamm empor.
    Schockiert begriff Mazaret, dass es sich um eine Mauer handelte, die von Zinnen

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