02 - Schatten-Götter
uns wegen unseres Taktgefühls hier versammelt habt, Erzmagier, oder um unsere Gefühle angesichts des fürchterlichen Schicksals, das uns droht, zu verbergen.«
Bardow breitete feierlich die Hände aus. »Ihr habt Recht, Amral. Die Lage ist ernst. Schlimmer könnte sie nur sein, wären wir des Kristallauges beraubt. Meilenweit um unsere Stadt herum sind Häuser und Felder verlassen, während die Flüchtlinge die Straßen nach Süden verstopfen. Panik und Furcht schleichen über die winterlichen Straßen, und die Häfen sind überlaufen von Menschen, die so entschlossen sind, Besh-Darok zu verlassen, dass sie sich nicht einmal von dem fürchterlichen Desaster heute Nacht abschrecken lassen. Und die ganze Zeit sitzen unsere Feinde da und beobachten von ihren Zinnen, wie Besh-Daroks Wille wankend wird, bevor auch nur eine einzige Schlacht geschlagen wurde …« »Ja, das habe ich auch gesehen«, erwiderte Amral gereizt.
Bardow beugte sich zu ihm, ohne seinen Ärger zu verbergen. »Aber ist es auch das, was du hören wolltest, Amral? Befriedigt es deinen Hunger nach Düsternis und schlechten Omen, zu wissen, dass die Dunkelheit kommt, und das Licht des Tages im Blute versinken wird…?«
»Genug!«, rief der alte Magier. »Ich werde diesen giftigen …«
»Und dennoch nährt Ihr die Verzagtheit mit Euren trostlosen Bemerkungen«, unterbrach Bardow ihn. »Niemand von uns ist blind für die schreckliche Realität, wem und was wir uns gegenübersehen, aber wir müssen alle Versuchungen der Verzweiflung unterdrücken und die Hoffnung und die Zuversicht aufrechterhalten.« Jetzt sprach er zu der ganzen Versammlung. »Die Zukunft steht noch nicht festgeschrieben, ganz gleich, was irgendwelche Auguren auch verkünden mögen. Es sind die Herrn dieser verfluchten Türme, die an unserem Untergang schmieden. Sie sind es, die versuchen, sich als Herren der Zukunft aufzuschwingen, und es kann sehr wohl sein, dass all unsere Mühen und Leiden nichts fruchten! Aber genauso gut könnten sie am Ende dennoch genügen, um zu obsiegen! Ihr und ich wisst nicht, was die Zukunft uns bringt, und sie wissen es ebenfalls nicht, also werde ich mich gegen die Schattenkönige stellen und sie bis zu meinem letzten Atemzug auf Schritt und Tritt bekämpfen …«Er hielt einen Moment inne, als er sich der heftigen Entschlossenheit bewusst wurde, die durch seine Sinne strömte, sowie der gefesselten Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. »Denn wir stehen nicht allein«, fuhr er fort und kehrte dem verkrüppelten Magier den Rücken zu. »Aus Sejeend und Ost Cabringa ist bereits Verstärkung an Kavallerie eingetroffen, und an den Kais löscht ein ständiger Strom von Frachtschiffen seine Ladung. Alle Menschen und Städte des Südens sind bereit, uns zu helfen, also werden wir mit jedem Tag, der verstreicht und den wir die Stadt halten können, stärker. Sollte sie jedoch erst fallen …« Bardow ließ den Satz unvollendet. Amral straffte sich und hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. »Vergebt mir meine vorigen Worte, Erzmagier«, sagte er ruhig. »Ich habe solange mit meiner persönlichen Verbitterung gelebt, dass die Hoffnung auf die gütige Vorsehung mir wie ein kindlicher Akt des Glaubens erscheint. Woran sich allerdings auch nichts geändert hat…«Ärgerliches Gemurmel wurde laut, doch er fuhr mit erhobener Stimme fort. »Dennoch habe ich meinen Berg verlassen und bin hierher gekommen, um diese Lakaien des Todes und ihre Sklavengeschöpfe zu bekämpfen. Wenn die Reihe an mich kommt, in die Bresche zu treten, Bardow, seid versichert, dass ich weder zaudern noch wanken werde.«
Die anderen murmelten ihre Zustimmung, und Bardow fühlte sich gleichzeitig erleichtert und demütig. »Eure Worte erfreuen mich über alle Maßen«, erwiderte er feierlich und blickte zu dem gewaltigen Relief von Orosiada an der Wand über dem Kamin hinauf. »Zusammen werden wir den Mut des Konzils der Magier beweisen, wie es einst bei seiner Gründung gelobt wurde. Schon bald werden wir darüber zu debattieren haben, wie wir unsere verschiedenen Stärken und Talente in dem bevorstehenden Kampf einsetzen können, zunächst jedoch müssen wir noch etwas anderes besprechen.
Das Hohe Konklave ist uneins, wie man auf das Erscheinen von Gorla und Keshada reagieren soll. Die drei Stadtväter und einer der Lords wollen ein Heer als Speerspitze entsenden, um im Angesicht unserer unwillkommenen Gästen Stärke zu zeigen und gleichzeitig die Moral der Bewohner der Stadt zu
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