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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Menschen waren Gilly und Keren anscheinend die Einzigen, die sich die Muße nahmen, zuzusehen.
    Ein älterer, fast kahlköpfiger Mann in einem blauen, kurzärmeligen Hemd und einem knielangen Überwurf trat von den gut bewachten inneren Türen auf sie zu. Lächelnd reichte er Golwyth die Hand. Während er sie schüttelte, stellte er den Mann Medwin als Heckmeister Yeddro vor. Sie verbeugten sich höflich, und Medwin seinerseits führte Gilly und Keren als »meine persönlichen Berater« ein.
    »Seid gegrüßt und herzlich willkommen«, sagte Yeddro. »Reepmeister Doreth erwartet Euch im Kartensaal. Wenn Ihr mir folgen würdet…«
    Flankiert von Medwin und Golwyth führte er sie durch eine Seitentür und über eine breite Steintreppe drei Stockwerke hinauf. Die Wände des Treppenhauses waren solide und schlicht, aber der Korridor, in den sie dann traten, war merklich prunkvoller. Die Bodenfliesen wiesen ein sich wiederholendes Ankermotiv auf, und an der linken Wand befanden sich in regelmäßigen Abständen gebogene Säulen aus schwarzem und braunem Stein, die an die Spanten eines Schiffes erinnerten. Zwischen ihnen hingen die Namensschilder von Schiffen und Wappen von Kapitänen und Adligen, von denen viele rissig und verwittert waren.
    Die rechte Wand stieg mit sanftem Schwung an, und durch ihre vielen Fenster sah man auf die lange, geschäftige Versammlungshalle hinab. Heckmeister Yeddro hatte gerade die Aufschrift auf einem der Wappen kommentiert, als Keren stolperte, sich kurz gegen einen der geschwungenen, hölzernen Streben lehnte und sich dann auf ein steinernes Sims setzte, wobei sie die Hände vor ihr Gesicht schlug.
    Gilly war sofort an ihrer Seite. »Was ist los?«
    »Ich bin nicht…« Sie ließ die Hände sinken und schüttelte den Kopf. »Mir war gleichzeitig schwindlig und kalt«, erwiderte sie verwirrt.
    »Könnt Ihr weitergehen?«, erkundigte sich Medwin.
    Keren atmete tief ein und kniff einmal langsam die Augen zusammen. »Es geht vorbei. Ich kann weitergehen.« Sie raffte sich auf und setzte ihren Weg fort. Gilly runzelte zwar die Stirn, widerstand aber dem Impuls, sie darauf hinzuweisen, wie blass sie war, und dass ihre Hände zitterten.
    Während sie weiter über die Empore gingen, erregte etwas in der Halle Gillys Aufmerksamkeit. Die Versammlungshalle bestand eigentlich aus einer Reihe von Sitznischen, die von mannshohen Mauern abgetrennt und von Öllampen beleuchtet wurden, die von der hohen Decke hinunterhingen. Einige Nischen wirkten wie Besprechungszimmer, in anderen wurden Bier oder heiße Speisen serviert. Nirgendwo befanden sich Türen, sodass jeder ungehindert die Halle durchqueren konnte. Verschiedene Gruppen hatten sich in den Nischen versammelt. Die meisten sahen aus wie Städter, während die Kleidung anderer eher zu einem Leben an Bord eines Schiffes und zu rauem Wetter passte.
    Eine Person jedoch ging zielstrebig von Nische zu Nische, ein untersetzter, kleiner Mann in formlosem grünem Wams und Hose. Gilly konnte von seinem Standort aus sein Gesicht nicht erkennen, aber je länger er ihn betrachtete, desto stärker wurde das Gefühl, den Mann zu kennen. Also ignorierte er Yeddros Vortrag, während er den Mann verfolgte, der seinen Weg durch die Halle fortsetzte. Als er den Eingang zu einer gut besetzten Nische am anderen Ende der Halle erreichte, zögerte er einen Augenblick, bevor er sich unter die Menge mischte. Im selben Moment spürte Gilly eine Hand auf seiner Schulter. Erschrocken drehte er sich um und sah den ältlichen Yeddro neben sich stehen.
    »Herr Cordale, Ihr erblickt soeben die Ursache unseres größten Problems«, sagte der Heckmeister und deutete mit seinem knochigen Finger auf eine Gruppe von bärtigen Männern, die in der Nische saß, welche Gilly beobachtet hatte. Einer von ihnen fiel durch seine bärenhafte Statur, sein langes, graues Haar und den kurzen, aber sehr buschigen Bart besonders auf. Gilly betrachtete ihn jedoch nur flüchtig, während er sich in der dämmrigen Nische umsah, ohne eine Spur von seiner Beute zu finden.
    »Ja, seht nur hin«, fuhr Yeddro fort. »Dort sitzt er, flankiert von seinen Kapitänen, der Hevrin, Admiral der Schiffclans von den Sturmbrecherinseln, und der Anlass unseres Streits. Gegen seinen Willen fände heute nicht einmal eine Konferenz statt…«
    Gilly hörte jedoch nur abgelenkt zu, während er in die geschäftige Ecknische hinabstarrte. Der Blick darauf wurde zum größten Teil von den danebenliegenden Wänden verstellt,

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