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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Pfahlstraße einbog, begann es leicht zu regnen. Die Pfahlstraße führte zwischen Lagerhäusern und alten Herbergen mit eigenen, kleinen Landestegen hindurch, und über Brücken, unter deren Stützkonstruktionen sich baufällige Hütten, Schänken und Werkstätten drängten.
    Gilly wischte sich den Regen aus dem Gesicht und fuhr mit den Fingern durch sein feuchtes Haar. Der Regen war zeitweilig abgeebbt, der Himmel jedoch blieb bis zum Horizont weiterhin bewölkt. Ein sicheres Zeichen dafür, dass bald wieder schlechtes Wetter folgen würde.
    Während die Kutsche über die Straße rumpelte und holperte, stellte sich Gilly vor, wie er den besessenen Coireg irgendwo in die Enge treiben und ihn zwingen würde, zu verraten, wo die Schattenkönige Ikarno gefangen hielten und was sie ihm antaten. Er begann sogar, sich Pläne zu Mazarets Rettung auszumalen … Die Pläne eines Narren, dachte er plötzlich. Ein Beispiel für ebenso überstürztes wie unkluges Verhalten, das ist diese Jagd. Was mache ich hier? Wer weiß schon, welche dunklen Mächte dieser Besessene beherrscht…? Er wollte dem Kutscher gerade befehlen, umzukehren, als die Kutsche mit einem Ruck anhielt. »Weiter fahre ich nicht, guter Mann«, sagte der Kutscher über die Schulter.
    Sie standen auf einem erhöhten Plankenweg, von dem aus man auf ein Finsteres Viertel blickte. Direkt vor ihm ragte die spitze Kante eines schiefen Gebäudes empor. Es war, wie Gilly nach genauerer Musterung erkannte, das Heck eines Schiffes mit einem verwitterten Dach. Im Schatten erkannte er eine Reihe von Balken, welche die Seite des geneigten Schiffs stützten, während dicke, schimmelige Taue straff aus Löchern im Rumpf zu rostigen Eisenpfeilern führten. Hinter diesem halb zerfallenen Schiff konnte Gilly die Umrisse weiterer Schiffe erkennen, von denen einige fast völlig unter improvisierten Hütten, Gebäuden und Laufstegen, Rauchabzügen, Baikonen und Taubenschlägen verborgen waren.
    Die Wrackstadt lag tiefer als der Rest des Brückenbezirks, und ihre schattigen, von Müll übersäten Molen und Stege befanden sich kaum höher als einen halben Meter über dem Wasserspiegel. Von der Stelle, an der Gillys Kutscher angehalten hatte, führte eine lange Rampe zu einer bevölkerten Hafenmole, über die sich Coiregs Kutsche immer weiter entfernte.
    »Warum müsst Ihr hier anhalten?«, wollte Gilly wissen.
    »Entschuldigt, Herr, aber ich fahre für kein Geld der Welt in die Wrackstadt, wenn Ihr verzeiht. Dort ist es zu gefährlich.«
    Gilly schnaubte verächtlich. »Mit meiner Klinge und Eurer Peitsche dürften wir wohl die paar Taschendiebe und elenden Schläger in Schach halten können.«
    Der Kutscher schüttelte den Kopf. »Es gibt da unten weit schlimmeres Gesindel als das, Herr. Ich fahre da nicht hinein.«
    Gilly begriff, dass der Mann nicht nachgeben würde, zuckte mit den Schultern, stieg aus und reichte ihm großzügig eine Viertel Krone. Der Fahrer lächelte trübe und tippte sich an seinen schäbigen Hut. »Passt auf, wo Ihr hingeht, Herr«, riet er ihm. »Und achtet auf das Wasser.«
    Pferd und Kutsche wendeten und fuhren zum Ostufer zurück. Gilly drehte sich um, lief die Rampe hinunter und wich an ihrem Fuß einem Loch in den dicken Bohlen aus. Es war ein armlanger Spalt, in dem es plätscherte und aus dem der Geruch von Seetang aufstieg.
    Die andere Kutsche war mittlerweile nicht mehr zu entdecken, aber Gilly war fest entschlossen, sie trotzdem zu verfolgen, und er marschierte eilig zu der Stelle, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Sein Weg führte ihn über eine Mole, die fast ganz im Schatten der bunt durcheinander gewürfelten, uralten, umgebauten Schiffe und der hohen Mauer aus Holz und Stein lag, welche die Grenze zwischen der Wrackstadt und dem Rest des Brückenbezirks markierte. Am Fuß dieser hohen Mauer drängten sich Schuppen und Hütten, von denen einige mit winzigen Stockwerken, Fenstern und Rauchabzügen ausgebaut waren, was ihnen ein merkwürdiges Aussehen verlieh. Die meisten jedoch waren schlicht und erbärmlich, und ihre Bewohner wirkten hungrig und gebrochen. Im Namen der Mutter!, dachte Gilly. Das alles gab es noch nicht, als ich das letzte Mal hier war … Zwischen zwei etwas solider wirkenden Hütten hatte jemand einen Schrein aus Kisten errichtet. Es war ein schäbiger, hölzerner Alkoven mit Regalen, auf denen sich geschnitzte Figürchen von Tieren zwischen Symbole drängten, die auf Pergamentfetzen gekritzelt waren, Blätter, auf denen

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