02 - Tanz der Sehnsucht
ein und betrachtete den Vorhang. Hinter ihr, im Dunkel, lag die Kulisse des Nachtclubs, die jetzt von den anderen Tänzern gefüllt wurde. Von der rechten Bühnenseite her sah Myron der Vorstellung zu. Maddy warf ihm einen Blick zu und nickte. Sie war bereit.
„Saalbeleuchtung - zur Hälfte runter."
Maddy holte tief Luft.
„Licht eins - an."
Über ihrem Kopf blitzten Lichter auf und tauchten sie in Regenbogenfarben.
„Saalbeleuchtung - aus."
Aus dem Publikum kam das letzte Hüsteln.
„Vorhang."
Als Maddy zum ersten Kostümwechsel von der Bühne ging, stand sie unter Höchstspannung. In Windeseile war sie aus dem einen Kostüm heraus und in dem nächsten drin. Erleichtert seufzte sie auf, als sie die Perücke vom Kopf ziehen konnte.
„Wenn du die Energie bis zum letzten Vorhang durchhältst, spendiere ich dir das beste Essen von Philadelphia."
Maddy starrte Myron an, während ihre Maske in Sekundenschnelle verändert wurde. Und schon musste sie wieder los, unter der Bühne hindurch, um auf ihr nächstes Stichwort zu warten.
Sie ging hinter dem Orchestergraben entlang, wo die Instrumente jetzt schwiegen. Ihr Jonathan und der Schauspieler, der die Rolle seines besten Freundes hatte, sprachen an dieser Stelle Text. Sie hörte das Publikum lachen. In der Nähe der Stufen, über die sie gleich wieder die linke Bühnenseite betreten würde, standen einige Bühnenarbeiter um ein tragbares Fernsehgerät herum. Der Ton war so leise heruntergedreht, dass das Geschehen von der Bühne her klar zu hören war.
„Wer gewinnt?", fragte sie, als sie einen flüchtigen Blick auf das Baseballspiel warf.
„Noch keine Punkte bis jetzt. ,Pirates' gegen
,Mets'. Haben gerade den dritten Schlag."
„Ich habe auf die ,Mets' gesetzt."
Einer der Männer lachte. „Hoffentlich können Sie den Verlust verschmerzen." Auf der Bühne beendete Jonathan gerade einen Song. „Ihr Auftritt."
„Das will ich meinen." Und sie trat hinaus auf die Bühne für ihre erste Begegnung mit Jonathan C.
Wiggings III.
Es herrschte genau die richtige Spannung. Mary und Jonathan trafen sich auf der Treppe der Bibliothek. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die sich anbahnende Romanze zwischen der Stripperin und dem weltunerfahrenen Sohn eines reichen Mannes ergriff sofort das Publikum.
Die letzte Nummer vor der Pause war Maddys Striptease. Die Beleuchtung ging in grelle Pink- und Rottöne über. Maddy begann mit einer
unglaublichen Energie, die während der ganzen Nummer nicht ein Mal nachließ.
Sie zog die Boa herunter und ließ sie fliegen. Ein Raunen ging durchs Publikum, als sie im Schoß von Maddys Vater landete.
Für dich, Dad, dachte sie und warf ihm eine Kusshand zu. Weil du mir alles beigebracht hast.
Maddy hielt Wort und riss das Publikum mit.
In der Pause gab es keine Zeit zur Entspannung.
Es mussten Kostüme gewechselt, Make-up aufgefrischt, Energie erneuert werden. Es wurde Maddy mitgeteilt, dass die ,Mets' dabei waren zu verlieren. Sie nahm es gelassen. Heute hatte sie Wichtigeres verloren.
Von der Seitengasse aus warf Maddy einen Blick in den Zuschauerraum. Die Saalbeleuchtung war an, und das Publikum flanierte herum. Es herrschte eine erwartungsvolle Atmosphäre. Und sie hatte dazu beigetragen.
Dann sah sie Roy. Ihr Vater stand neben ihm. Er lachte gerade und legte einen Arm um Roys Schulter. Die Geste erwärmte sie. Sie sagte sich zwar, dass es jetzt eigentlich egal sei, doch es erwärmte sie, ihren Vater mit dem Mann, den sie liebte, lachen zu sehen.
„Wenn du den Blick beibehältst, wirst du sie noch alle vor dem Finale vergraulen."
Maddy drehte sich um. Wanda trug wie sie ein Nachthemd für die folgende Szene in ihrer gemeinsamen Wohnung. Dann würde bald der Perlenvorhang herunterkommen, und Maddys Traumszene würde beginnen.
„Keine Angst. Wir wollen doch die siebzehn Vorhänge übertrumpfen."
„Ist er draußen?"
„Ja. Er ist draußen."
„Ich vermute, du hast das Bedürfnis, etwas zu beweisen."
Dass ich es überleben werde, dachte Maddy. „Mir selbst", murmelte sie, als sie ihre Positionen auf der Bühne einnahmen. „Nicht ihm, nur mir."
In Theaterstücken kann der Autor die Verhältnisse so drehen und ändern, dass sie zu einem Happy End führen. Und so bekamen sich am Schluss Mary und Jonathan. Sie hatten alle Verschiedenheiten und Betrügereien, ihre Lebensumstände und die Lügen, Misstrauen und Enttäuschungen überwunden. Für sie begann das große Glück.
Dann kam der Applaus. Er raste, er
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