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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Urteil, an den Iden des Mai, als das Haus über die politischen Auswirkungen der erlittenen Schlappe debattierte. Clodius betrat die Kammer, als Cicero gerade eine Rede hielt. Die Senatoren empfingen ihn mit lautem Zischen, worauf er still in sich hineinlächelte, als ob ihre Feindseligkeit ihn belustigte. Da keiner der Senatoren Anstalten machte, zur Seite zu rutschen, damit er sich setzen konnte, blieb er mit verschränkten Armen an der Wand stehen und schaute Cicero grinsend an. Crassus, der auf seinem angestammten Platz in der ersten Bankreihe saß, fühlte sich sichtlich unwohl. Er bückte sich vor und tat so, als hätte er auf seinen roten Lederschuhen eine Schramme entdeckt. Cicero ignorierte Clodius und setzte seine Rede fort.
    »Ehrwürdige Senatoren«, sagte er, »wegen eines einzigen Schlags dürfen wir weder nachlassen noch wanken. Zugegeben, unsere Autorität wurde geschwächt, aber es besteht kein Anlass, in Panik zu verfallen. Es wäre töricht von uns, das Geschehene zu ignorieren, aber es wäre feige, wenn wir uns dadurch einschüchtern ließen. Die Geschworenen haben
möglicherweise einen Feind des Staates heil davonkommen lassen …«
    »Ich wurde nicht als Feind des Staates freigesprochen, sondern als der Mann, der in Rom aufräumen soll«, rief Clodius dazwischen.
    »Du irrst dich, Clodius«, erwiderte Cicero gelassen, wobei er ihn keines Blickes würdigte. »Die Geschworenen haben dich nicht verschont, damit du in Rom aufräumen kannst, sie haben dich verschont, damit du in die Hinrichtungskammer wanderst. Sie wollten nicht, dass du hierbleibst, sie wollten dir lediglich die Möglichkeit nehmen, dass du dich ins Exil absetzen kannst.« Er setzte seine Rede fort. »Und deshalb, Senatoren, seid standhaft, und wahrt eure Würde …«
    »Wie steht es eigentlich mit deiner Würde, Cicero?«, rief Clodius. »Du hast dich bestechen lassen!«
    »Die politische Einmütigkeit ehrenhafter Männer wird sich durchsetzen …«
    »Du hast dich bestechen lassen, damit du dir ein neues Haus kaufen konntest!«
    Jetzt schaute Cicero ihm ins Gesicht. »Wenigstens habe ich keine Geschworenen gekauft.«
    Der Senat schüttelte sich vor Lachen, und ich musste an einen alten Löwen denken, der sein ungebärdiges Junges mit einem Tatzenhieb zur Ordnung ruft. Clodius schaute ärgerlich. »Ich sage dir, warum man mich freigesprochen hat – weil deine Aussage eine Lüge war, weil das Gericht dir nicht geglaubt hat, weil du deinen Kredit verspielt hast.«
    »Im Gegenteil, bei fünfundzwanzig Geschworenen hatte ich Kredit, du hattest bei einunddreißig keinen – die haben ihr Geld im Voraus verlangt.«
    Heute mag sich das nicht mehr besonders lustig anhören, aber damals konnte man das durchaus für die witzigste Bemerkung der Geschichte halten. Ich nehme an, dass die Senatoren
deshalb so laut lachten, weil sie Cicero ihre Unterst ützung zeigen wollten. Und jedes Mal wenn Clodius sich an einer Erwiderung versuchte, lachten sie nur noch lauter, so dass er schließlich verärgert aufgab und aus der Kammer stürmte. Dieses Feuerwerk an Geistesblitzen war damals ein großer Erfolg für Cicero, zumal Clodius ein paar Tage später Rom in Richtung Sizilien verließ. Für die nächsten paar Monate konnte Cicero unseren kleinen Schönling aus seinen Gedanken streichen.

    Pompeius Magnus wurde deutlich gemacht, dass er seine Hoffnungen auf einen Triumph begraben müsse, falls er sich ein zweites Mal um das Amt des Konsuls bewerben wolle. Dazu konnte er sich jedoch nicht durchringen, da er zwar die Ausübung von Macht genoss, deren Zurschaustellung aber noch mehr liebte – die protzige Kostümierung, die schmetternden Trompeten, das Brüllen und den Gestank der wilden Tiere in den Käfigen, die marschierenden Schritte und grobschlächtigen Jubelgesänge seiner Soldaten, die Vergötterung durch die Massen.
    Also verabschiedete er sich von dem Gedanken, noch einmal Konsul zu werden. Als Termin für den Triumph wurde auf seinen Wunsch hin sein fünfundvierzigster Geburtstag Ende September festgesetzt. Das Ausmaß seiner Heldentaten war jedoch derart gewaltig, dass die Parade, die nach Schätzungen mindestens zwanzig Meilen lang sein würde, auf zwei Tage aufgeteilt werden musste. Deshalb pilgerten Cicero und alle anderen Senatoren schon am Vortag seines Geburtstags hinaus aufs Marsfeld, um den Imperator offiziell willkommen zu heißen. Für den Anlass hatte sich Pompeius nicht nur das Gesicht rot geschminkt, er trug auch einen

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