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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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hatte wieder sein altes Anwesen auf dem Esquilin bezogen. Im Lauf des Sommers hatte es sich sehr verändert. Dutzende der Rammsporne von den gekaperten Piratenschiffen spickten die Außenmauern.
Manche waren aus Bronze und dem Gorgonenhaupt nachgebildet, andere den Schnauzen und Hörnern von Tieren. Cicero sah sie zum ersten Mal und verzog angewidert das Gesicht. »Stell dir vor, du musst hier jede Nacht schlafen«, sagte er, als wir darauf warteten, dass der Türwächter uns öffnete. »Sieht aus wie die Hinrichtungskammer eines Pharaos.« Von da an nannte er Pompeius in privater Runde oft »Pharao« oder manchmal auch »Schah«.
    Draußen standen jede Menge Menschen, die das Haus bewunderten. Innen, in den öffentlichen Räumen, drängelten sich Bittsteller, die darauf spekulierten, aus Pompeius’ goldenem Trog fressen zu können. Darunter bankrotte Senatoren, die ihm ihre Stimme verkaufen wollten, und Geschäftsleute, die darauf hofften, dass Pompeius in ihre Projekte investierte. Ich sah Schiffseigner, Pferdemeister, Möbeltischler und Juweliere und solche, die ganz einfach Schnorrer waren, die mit irgendeiner herzzerreißenden Leidensgeschichte an Pompeius’ Mitgefühl appellieren wollten. All diese Mendikanten schauten uns ziemlich neidisch an, als wir an ihnen vorbei in ein großes Privatgemach geführt wurden. In einer Ecke stand eine Schneiderpuppe, die die Toga und den Umhang Alexanders zur Schau stellte, die Pompeius beim Triumphzug getragen hatte. In einer anderen Ecke befand sich der ganz aus Perlen gearbeitete Kopf von Pompeius, der auch Teil der Parade gewesen war. Und in der Mitte ragte Pompeius selbst vor dem auf zwei Holzböcken stehenden Architektenmodell eines gewaltigen Gebäudekomplexes auf und hielt in jeder Hand einen Miniaturtempel aus Holz. Die Männer, die sich um ihn drängten, harrten ängstlich seiner Entscheidung.
    »Ah«, sagte er, als er den Blick hob, »da ist Cicero, das ist ein schlauer Bursche. Der soll sich das mal anschauen. Was meinst du, soll ich an dieser Stelle vier Tempel bauen oder drei?«
    »Wann immer ich über den nötigen Platz verfüge«, sagte Cicero, »baue ich meine Tempel nur im Quartett.«
    »Exzellenter Rat!«, rief Pompeius aus. »Dann also vier.« Er stellte sie in einer Reihe auf, worauf sein Publikum applaudierte. »Welchen Göttern sie geweiht werden sollen, entscheiden wir später. Und?«, sagte er zu Cicero und deutete auf das Modell. »Was meinst du?«
    Cicero schaute auf die kunstvoll gearbeitete Konstruktion hinunter. »Höchst eindrucksvoll. Was ist das? Ein Palast?«
    »Ein Theater mit zehntausend Sitzplätzen. Hier sind öffentliche Gärten, außen herum verlaufen Säulengänge. Hier kommen die Tempel hin.« Er wandte sich zu einem der Männer hinter ihm um, die anscheinend die Architekten waren. »Wie groß wird das alles noch mal, insgesamt?«
    »Das gesamte Bauwerk erstreckt sich über eine Viertelmeile, Exzellenz.«
    Pompeius rieb sich grinsend die Hände. »Ein Gebäude, das eine Viertelmeile lang ist! Stell dir das vor!«
    »Und wo soll es hinkommen?«, fragte Cicero.
    »Aufs Marsfeld.«
    »Aber wo sollen die Menschen dann wählen?«
    »Ach, hier irgendwo«, sagte Pompeius und wedelte unbestimmt mit der Hand herum. »Oder da unten, am Fluss. Platz haben wir doch genug. Schafft das jetzt weg!«, befahl er den Architekten. »Und fangt gleich mit den Arbeiten für die Fundamente an. Geld spielt keine Rolle.«
    Nachdem sie gegangen waren, sagte Cicero: »Ich möchte zwar nicht pessimistisch sein, Pompeius, aber ich fürchte, das könnte Ärger mit den Zensoren geben.«
    »Warum?«
    »Sie haben den Bau eines festen Theaters in Rom immer verboten, aus moralischen Gründen.«
    »Das habe ich bedacht. Ich werde ihnen sagen, ich errichte ein Heiligtum für die Venus. Das wird irgendwie in die
Bühne eingebaut – diese Architekten wissen schon, wie sie das zuwege bringen.«
    »Und du glaubst, die Zensoren nehmen dir das ab?«
    »Warum nicht?«
    »Ein Heiligtum für die Venus, das eine Viertelmeile lang ist? Sie könnten glauben, dass du es mit deiner Frömmigkeit ein wenig übertreibst.«
    Aber Pompeius war nicht in der Stimmung, sich verspotten zu lassen, schon gar nicht von Cicero. Sein Wohlwollen verwandelte sich schlagartig in Zorn. Seine Lippen bebten. Er war berühmt für seinen Jähzorn, und zum ersten Mal erlebte ich, wie schnell seine Stimmung umschlagen konnte. »Diese Stadt!«, brüllte er. »Ein Haufen Kleingeister – Kleingeister und

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